Wie begegne ich einem fremden Hund an der Leine?

Im Abschnitt Wie begegne ich einem fremden Hund? haben wir uns das allgemeine Verhalten angeschaut: Wie verhalte ich mich richtig?

Hier schauen wir uns nun genauer an, wie wir uns richtig verhalten, wenn einer der beiden Hunde angeleint ist, wenn beide Hunde angeleint sind; bzw. wenn keiner der beiden Hunde angeleint ist.

Das "Bei-Fuß!"-Laufen, -Sitzen oder -Liegen eines Hundes ist eine informelle Leine! Sein Leinen-Halter schafft es, den Hund nur allein durch dessen Respekt für ihn genauso laufen, sitzen oder liegen zu lassen, als wäre er von einer kurzen Leine gehalten. Daher gilt: Ganz egal, ob der Hund dabei angeleint ist oder nicht: Wir betrachten ihn genauso, als wäre er angeleint.

Die Sache mit der Höflichkeit

Generell gilt: Ist einer der beiden Hunde angeleint, hat er einen gewaltigen Nachteil in der Kommunikation. Sowohl die Kommunikation Hund-Mensch, als auch die Kommunikation Hund-Hund, ist dann massiv behindert. Deshalb befleißigen wir uns, der Höflichkeit Mensch und Hund gegenüber verpflichtet, eines einfachen Grundsatzes:

Ist der fremde Hund angeleint oder läuft ganz offensichtlich "Bei-Fuß!", fragen wir IMMER den Leinen-Halter, ob es Okay ist, dass ich und/oder mein Hund an seinen Hund herangehen. Niemals überlassen wir es allein den Hunden.

  • Ist der fremde Hund angeleint, aber meiner nicht?
    In diesem Fall lassen wir den fremden Hund in Ruhe. Es sei denn, wir bekommen die ausdrückliche Erlaubnis des Leinen-Halters. Wenn unser Hund wohlerzogen ist, halten wir ihn mit Kommandos davon ab, den fremden Hund zu begrüßen. Anderenfalls leinen wir unseren Hund ebenfalls an, bis wir am fremden Hund vorbei sind.
  • Ist der fremde Hund angeleint und meiner auch?
    Auch in diesem Fall lassen wir den fremden Hund in Ruhe. Sollten wir dennoch eine Begegnung wünschen, dann leinen BEIDE ihre Hunde ab. So werden Kommunikations-Missverständnisse der Hunde reduziert. Wagst du nicht, deinen Hund abzuleinen, dann ist die Hunde-Begegnung auch eine schlechte Idee.
  • Ist der fremde Hund nicht angeleint, meiner aber schon?
    Entweder leinst du deinen Hund ebenfalls ab; oder du verzichtest auf die Begegnung der Hunde. Sollte der fremde Hund trotzdem zu euch kommen, gilt dasselbe. Fordere in diesem Fall den fremden Halter auf, seinen Hund abzurufen und/oder ggf. wenigstens vorübergehend anzuleinen.
  • Sind beide Hunde nicht angeleint?
    Das ist für die Kommunikation der Hunde der beste Fall, denn er vermeidet von vornherein Missverständnisse, die zu Beißereien führen könnten. Das heißt nicht, dass es keinen Stress gibt. Das heißt nur, dass der mögliche Stress durch Fehler in der Kommunikation reduziert wird.

Warum das so wichtig ist? Hunde habe ihre eigene Sprache, die Körpersprache. Dazu müssen sie sich bewegen können. Sollten bei der Begrüßung Beschwichtigungs-Signale erforderlich sein, um beispielsweise Stress und Raufereien zu verhindern oder wenigstens zu minimieren, dann wird der betreffende Hund sich ungehindert bewegen müssen. Kann er das nicht, kann es passieren, dass der beschwichtigende Hund die entsprechenden Signale nicht oder nicht korrekt senden kann. In diesem Fall ist eine Rauferei vorprogrammiert.

Verheddern und verwickeln sich dabei auch noch die Leinen der beiden Hunde, wird es noch schwieriger, beide wieder zu trennen. Am Ende stehen dann da zwei wütende, verängstigte und/oder verwirrte Hunde und zwei betroffen dreinblickende Leinen-Halter.

Wie zeige ich den fremden Hund, dass ich ihn in Ruhe lassen will?

Um dem fremden Hund deutlich zu zeigen, dass du keinen Kontakt mit ihm wünschst, gibt es drei Möglichkeiten. Bevorzuge, wann immer möglich die erste Variante!

Variante 1: Den fremden Hund in Ruhe lassen (Bogen machen)

Du nimmst gegebenenfalls deinen eigenen Hund an die kurze Leine. Dann beschreibst du einen DEUTLICHEN Bogen um den anderen Hund herum. Bleibe dabei möglichst mindestens 10 Meter entfernt. Notfalls stapfe durch das Unterholz. Kannst du diese Entfernung nicht einhalten, weil es neben dem Weg allzu unwegsam wird, dann beschleunige den Schritt und beschreibe den größtmöglichen Ausweich-Bogen um den fremden Hund herum.

Dieser Bogen ist kein Angst-Signal, sondern ein "Ich-will-mit-dir-nichts-zu-tun-haben!-Lass-mich-in-Ruhe!"-Signal.

Dadurch, dass du einen klar erkennbaren Bogen um den fremden Hund herum machst, signalisierst du ihm zwei wichtige Informationen: Erstens sagst du "Ich will mit dir nichts zu tun haben! Also lass mich auch in Ruhe!" Und zweitens sagst du "Ich bin keine Gefahr für dich. Ich will hier nur lang; und wir sind uns zufällig begegnet. Tschüß! Und mach's gut!" Der Bogen hat also NICHTS mit "Angst" zu tun, sondern signalisiert im Gegenteil sogar vorsichtiges Selbstvertrauen.

Dieser Bogen zeigt DEINEM Hund, dass du in dieser Situation die Führung übernimmst und euch beide sicher durch die Situation bringst. Es fördert also seinen Respekt, den er für dich hat (oder haben sollte).

Zugleich ist dieser Bogen ein Signal an deinen Hund: "Ich übernehme die Führung! Folge mir, und wir kommen da gut und sicher durch!" Je größer du den Bogen schlägst, desto klarer erkennen beiden Hunde diese Signale. Ein Abstand von 10 Meter ist dabei sowas wie ein Mindest-Abstand; erheblich mehr als 20, 30 Meter müssen es aber auch bei sehr aufgeregten Hunden nicht sein.

Variante 2: Den fremden Hund in Ruhe lassen (Zügiger gehen)

Ist der Weg gar zu schmal und "einen deutlichen Bogen machen" daher völlig unmöglich, greife zur zweitbesten Variante: Nimm deinen Hund kurz und beschleunige deinen Schritt. Gehe/Jogge möglichst so schnell, dass dein eigener Hund in diesen Zwischen-Laufschritt zwischen zügigem Gehen und Rennen kommt. Wenn du deinen Hund länger als ein paar Tage hast und wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit für ihn übrig hast, dann weißt du, wie dieser Trab aussieht. Dieser Trab bringt deinen Hund instinktiv in den "Wander-Trab". Er verliert quasi vollautomatisch das Interesse am fremden Hund; und der fremde Hund interessiert sich wegen des Trabs weniger für deinen Hund.

Auch dieser Wander-Trab ist kein Angst-Signal, sondern ein "Ich-will-mit-dir-nichts-zu-tun-haben!-Lass-mich-in-Ruhe!"-Signal.

Hier ist wirklich wichtig, dass du die passende Trab-Geschwindigkeit erreichst. Zweifelst du, oder gelingt dir das nicht, dann renne, so schnell du kannst am fremden Hund vorbei. Zu schnell ist besser als zu langsam. (Nein, es ist kein "Weglaufen", wenn du an einem fremden Hund VORBEI läufst. Nur, wenn du WEG läufst, ist es aus seiner Sicht weglaufen.)

Dieser Wander-Trab ist den Hunden instinktiv angelegt. Sobald sie in dieser Geschwindigkeit sind, streckt und lockert sich ihr ganzer Körper, der Kopf wird nach vorn und leicht unten ausgerichtet, die Atmung wird gleichmäßig, die Schritte strecken sich; ... und der ganze Organismus des Hundes richtet sich darauf ein, nun lange Zeit möglichst Energie-sparend zu joggen. Das bedeutet ebenfalls, dass alle möglichen Hormonausschüttungen, insbesondere aber Stresshormone, drastisch reduziert werden: Unser Hund wird sozusagen vollautomatisch in eine Art "Jogging-Trance" versetzt. Und das nutzen wir hier schamlos aus.

Variante 3: Den fremden Hund in Ruhe lassen (Flucht)

Entschließt du dich zur Flucht, weil der andere Hund dir suspekt ist, dann ist auch das eine mögliche Variante. In diesem Fall solltest du jedoch sehr schnelles Gehen und Rennen vermeiden. Je dichter du vor der "Flucht" am anderen Hund dran bist, desto langsamer solltest du dich anfangs von ihm entfernen.

Idealerweise entscheidest du dich in einem Abstand von mindestens 20 Metern zu dieser Variante. Drehe dann einfach um und gehe sicheren und zügigen Schrittes in die andere Richtung. Drehe dich NICHT zum anderen Hund um, zögere nicht, bleibe nicht stehen. Gehe einfach selbstsicher deines Weges. Wenn dein Hund zu jenen gehört, die den Hals immer nach hinten recken wollen, dann beschleunige deinen Schritt. Finde den "Wander-Trab" deines Hundes. Dann hört er ganz automatisch auf, ständig nach hinten zu starren.

NIEMALS lassen wir unseren Hund an der straffen Leine zum fremden Hund!

Manchmal passiert es eben doch: Wir wollten eigentlich keine Begegnung; oder wir sind skeptisch, ob das mit der Begegnung gut geht. Also betrachten wir die Leine, an der unser Hund befestigt ist, wie Bergsteiger eine Sicherungsleine: "Wenn irgendwas schief geht, ziehe ich dich zurück!" Doch das exakte Gegenteil ist der Fall!

Unser Hund ist nun in massivem Nachteil! Wenn der fremde Hund unseren Hund in der Kommunikation missversteht, wird er ihn zu korrigieren versuchen. Kann unser Hund darauf auch nicht oder nicht richtig reagieren, weil ihn die Leine behindert, gibt's in Sekundenschnelle heftigen Krach.

Sollte hingegen unser Hund der Rüpel sein, verführt ihn eine straffe Leine zu mehr Aggression gegen den fremden Hund. Er fühlt sich durch den Zug an der Leine in seiner Aggression bestärkt. Und wieder wird es innerhalb von Sekunden mit einer Rauferei enden können.

Wenn wir die Begegnung also nicht vermeiden können, dann leinen wir unseren Hund ab; oder sorgen zumindest dafür, dass er von der Leine so wenig wie möglich behindert wird. Und ja: EINFACH DIE LEINE LOSLASSEN, ist dann nach dem Ableinen die zweitbeste Idee, die du haben kannst. Doch nie, nie, nie, wirklich NIEMALS lassen wir unseren Hund an einer straffen Leine zu einem fremden Hund.

NIEMALS gehen wir zu einem fremden Hund, der an der straffen Leine steht!

Was für unseren Hund gilt, gilt natürlich auch für den fremden Hund: Ist er an der Leine, dann meiden wir ihn entweder ganz oder gehen mindestens 1 Meter dichter, als die Leine lang ist, an ihn heran. Aber nie, nie, nie, wirklich NIEMALS gehen wir an einen fremden Hund heran, der an der straffen Leine steht.