Der tägliche Spaziergang

Für manchen ein notwendiges Übel, damit die Töle nicht in die Wohnung kackt und pisst; für andere etwas, das man ausgiebig und stundenlang zelebriert: Der tägiche Spaziergang. Dabei ist er so unendlich wichtig für den Hund; aber auch für uns. Denn er kann uns helfen, unsere Bindung zum Hund zu stärken, er hilft uns, den Respekt unseres Hundes für uns zu fördern. Grund genug, uns das anzuschauen...

Warum überhaupt?

Der Spaziergang ist nur für uns Menschen ein Spaziergang, also ein Müßiggang. Für Hunde ist es ganz instinktiv eine "Revierbegehung", bei der kontrolliert wird, wie es um das eigene Jagd-Revier bestellt ist. Da wird geprüft, wer so alles hier herumstreunt, was er mitzuteilen hat, ob es (neue) Gefahren gibt, und wie es um den allgemeinen Zustand des Jagd-Reviers bestellt ist. Auf diesem Weg legen frei lebende Hunde und ihre Verwandten, die Wölfe, durchaus 20, 30 Kilometer am Tag zurück. Nicht jeden Tag gleich viel, sondern im Durchschnitt. Deine Spaziergänge, die vielleicht so 1, 2, 3 oder auch mal 5 Kilometer lang werden, sind für deinen Hund also eher sowas, wie eine Aufwärmung vor dem eigentlichen Losgehen.

Moooooment! Da war von Jagd-Revier die Rede. Mein Hund jagt aber gar nicht. Er weiß nicht mal, wie das geht. Muss der auch laufen? Die Antwort auf diese Frage kannst du dir selbst geben: Dein Hund ist ein Hund, ein Nachfahre der Wölfe. Und er hat, ob du es wahrhaben willst, oder nicht, immer noch viele natürliche Instinkte. Einer davon ist: "Ich wandre ja so ger-her-ne!" Auch das ist ein sehr tief sitzender Instinkt. Auch das ist nicht zuletzt eine gesundheitliche Sache, denn Bewegung ist nicht nur für den Menschen gesund.

Und überhaupt: Für viele Hunde ist es leider eine der wenigen GEMEINSAMEN Aktivitäten mit ihrem Rudel. Und ja, sie lieben es, gemeinsam aktiv zu sein. Im Spiel. Beim Lernen. Aber wenigstens auf der (täglichen) Wanderung.

Der Haupt-Zweck des Spaziergangs

Für uns Menschen hat der Spaziergang, neben der Tatsache, dass auch wir ab und zu mal frische Luft und Entspannung brauchen, einige zentrale Aufgaben:

  1. Er fördert die Gesundheit unseres Hundes.
  2. Er dient der Auslastung unseres Hundes.
  3. Er stärkt die Bindung zwischen uns.
  4. Er fördert den Respekt unseres Hundes.

Wir schlagen also mit dem Spaziergang eine ganze Menge Fliegen. Also hat der Spaziergang es auch verdient, dass wir das Beste aus ihm herausholen.

Knast-Runde oder Erlebnis-Park?

Für nicht wenige Hunde ist der tägliche Spaziergang eher sowas, wie eine Knast-Runde an der frischen Luft: Es geht auf immer denselben Wegen in möglichst kurzer Zeit zum notwendigen Entleeren von Darm und Blase ... und danach auf kurzem Weg nach Hause, wo die totale Langeweile wartet. Wenn es hoch kommt, "darf" der Hund noch ein paar mal den geworfenen Ball oder Stock einsammeln und zurückbringen und hier und da ein bisschen herumschnüffeln und "Zeitung lesen". Aber das war's dann auch meistens schon. Knast-Routine, eben. Immer gleich. Auf Jahre.

Aber nicht alle Hunde haben dieses Pech, ihr ganzes Leben im Knast fristen zu müssen. Manche bekommen einen (halbwegs, mehr muss gar nicht sein) abwechslungsreichen Erlebnis-Park geboten: Da gibt es neue Gebiete mit unbekannten Gerüchen und Geräuschen zu erkunden; da wird auch mal im Wasser getobt; da spielt man GEMEINSAME SPIELE mit dem Leinen-Halter; da wird gezerrt, gerauft, getobt und GEMEINSAM der Wind eingefangen, ... und (fast) jeder Tag bringt neue Überraschungen, neue Freude, neue spannende Aufregung. Man absolviert GEMEINSAM Gefahren, wie die Begegnungen mit fremden Hunden und Menschen; man hat GEMEINSAM Spaß. Man stärkt das gegenseitige Vertrauen zueinander und damit den gegenseitigen Respekt füreinander.

Jeder Tag ein Besuch im Erlebnis-Park?

Oh, nein! Es muss nicht nur nicht, es sollte nicht mal, jeder Tag ein Besuch im Erlebnis-Park sein! Vielmehr ist ABWECHSLUNG das Zauberwort. Und noch nicht einmal tägliche Abwechslung, sondern alle paar Tage. In unregelmäßigen, aber sehr überschaubaren Abständen. Also alle 2, 3 Tage wenigstens kleine Veränderungen und alle 4, 5, 6 Tage mal eine größere Überraschung.

Idealerweise weiß unser Hund nie, was er heute auf dem Spaziergang erleben wird. Und das ist super-einfach, denn es ist auch dem Menschen mitgegeben: Freudige Überraschungen verstärken die Freude erheblich.

Was kann man denn so machen?

Und plötzlich setzt die Fantasie komplett aus: "Ja, was kann man denn so auf einem Spaziergang machen? Ich will ja, aber mir fällt überhaupt nichts ein. Außer halt 'Stock/Ball werfen', 'Ein bisschen Zerrspiele' und 'Den Hund ein bisschen Schnüffeln lassen'".

Dabei gibt es so unendlich viel, was du draußen machen kannst...

  • Macht doch einfach mal eine GEMEINSAME Pause
    Anstatt dich auf die Parkbank zu setzen und deinen Hund zu deinen Füßen abzulegen (falls überhaupt); nimm dir eine Picknick-Decke mit, breite sie auf der Wiese aus und lege dich darauf. Dann rufe deinen Hund zu dir und lege ihn dicht neben dir ab. ... und dann chillt GEMENSAM! Zehn Minuten, zwanzig Minuten, eine halbe Stunde? Egal: Du hast ein Hörbuch oder dein Handy dabei. Verbringt einfach ein bisschen gemeinsame Kuschel-Zeit, ohne dass du viel an deinem Hund herumgrabbeln musst.
  • Trödelt mal GEMEINSAM
    Ihr habt eine für deinen Hund spannend zu beobachtende Stelle gefunden? Dann setze dich doch einfach mal zu deinem Hund! Still. Direkt neben ihn. Schaue still und bewegungslos in dieselbe Richtung. Träume mit ihm gemeinsam. Beobachte mit ihm gemeinsam die Enten. Und lass deinen Hund entscheiden, wann es langweilig wird.
  • Abwechselnde Spiele
    Heute "Stöckchen", morgen "Zerrspiele", übermorgen lauft ihr GEMEINSAM mit dem Wind um die Wette über eine Wiese, ... schon, wenn du die Spiele an unterschiedlichen Orten spielst, bringst du Farbe in euren Spaziergang. Wenn du dann noch den Zufall entscheiden lässt (Streichholz ziehen, Zettel machen), welches der Lieblings-Spiele deines Hundes ihr heute GEMEINSAM spielt - und wenn du auch noch den Ort des Spiels durch den Zufall bestimmen lässt -, bist du vom Ablauf des heutigen Spaziergangs genauso überrascht, wie dein Hund.
  • Futter auf der Wiese
    Warum nicht mal die tägliche Fütterung vom höhenverstellbaren Edelstahl-Napf auf die Wiese verlagern? Nimm einfach die ganze oder die halbe Tagesration deines Hundes mit und gib sie ihm auf der Wiese. Einfach breit ausstreuen. Auch das Feuchtfutter. Deinem Hund macht ein bisschen Dreck nichts aus. Er kann damit umgehen.
  • Futter verstecken
    Nimm die Tagesration oder einen Teil davon mit auf den Spaziergang. Verstecke möglichst unbemerkt kleine Mengen hier und da in einem mäßigen Umkreis (je nach Hund und Charakter vielleicht so 10, 20, 30 Meter Umkreis) unter Laub und Ästen oder in herumliegendem Totholz. Dann schicke deinen Hund auf Futtersuche.
  • Dein Hund braucht sowieso Übung darin; auch, und gerade, wenn er sie bereits beherrscht. Warum also nicht mitten im Spaziergang anhalten und mal alle Grundkommandos durchgehen? Warum nicht einfach mal ganz spontan mitten im Gehen den Hund abrufen und ins "Sitz!", "Platz!" oder "Bleib hier!" kommandieren. Dein Hund übt so, was er sowieso können muss; und du hast eine Bestätigung, dass er es auch im Ernstfall weiß.
  • Übt neue und bekannte Tricks & Kunststücke
    Wenn ihr sowieso Tricks & Kunststücke einübt: Warum nicht während des Spaziergangs? Dein Hund lernt so, dass er diese Tricks nicht nur zu Hause können muss. Und ihr bringt Farbe in euren Spaziergang.
  • Findet neue Gegenden und Wege
    Niemand zwingt euch, immer dieselbe Runde zu laufen. Teiche, Wassergräben, Waldstücke, Wiesen, ... es gibt auf dieser Welt so viel zu entdecken. Fahrt doch einfach mal ein Stück mit dem ÖPNV oder mit dem Auto! Irgendwohin, das ist egal. Da warten viele neue Abenteuer auf euch. In der Stadt kannst du beispielsweise ganz einfach die Anzahl der Stationen mit der Tram vom Zufall bestimmen lassen. Oft kann man von dort aus dann auf immer neuen Wegen und in aller Ruhe nach Hause laufen.
  • Geht gemeinsam baden
    Dein Hund liebt Wasser? Dann ab mit euch GEMEINSAM INS WASSER. Sei vorsichtig: Er hat gemein weh tuende Krallen. Und er hasst es meistens, mit dir im tiefen Wasser, also dort, wo er selbst frei schwimmen muss, zu toben. Aber er mag es vielleicht, mit dir gemeinsam im flachen Wasser herumzubalgen, sein Leckerlie aus dem 10 Zentimeter tiefen Wasser angeln zu müssen, im flachen Wasser mit dir um die Wette nach einem selbst geworfenen Stock zu laufen, oder sich einfach mal mit dir gemeinsam an eine unaufmerksam auf dem Wasser dümpelnde Ente heranzupirschen (ein rechtzeitiger lauter Ruf hilft, wenn die Ente gar zu unaufmerksam sein sollte), ...
  • Bringe deinem Hund das Schwimmen bei
    Kaufe deinen unsicheren Hund eine Schwimmweste und dann bringe ihm das Schwimmen bei. Bewegung im Wasser gehört zu den gesündesten Bewegungen überhaupt. Und wenn dein Hund nicht wirklich ausgesprochen Angst vor dem Wasser hat, dann könnt ihr hier viele gemeinsame und spannende Stunden verbringen.
  • Macht einen Rudel-Ausflug! Nicht nur jedes 4. Wochenende.
    Warum sollen du und der Hund immer allein gehen? Nimm sie alle mit! Macht euch einen schönen Nachmittag oder wenigstens ein paar schöne Stunden. Spielt GEMEINSAM mit dem Hund. Grillt. Chillt. Sonnt euch. Geht baden. Und tobt. Dazu muss man nicht viel planen. Und es gibt eigentlich auch nur eine Ausrede: "Keine Lust!"
  • Arbeite an euren Baustellen und Problemen
    Ganz besonders Begegnungen mit fremden Hunden kann man auf so einem Spaziergang hervorragend üben. Aber auch ein "Bleib!", das auf größere Distanzen trainiert wird, kann man immer und überall ganz spontan einbauen.
  • Geht auf die Hundewiese
    In jeder Stadt gibt es offizielle und inoffizielle Hundewiesen. Dort toben die Hunde gemeinsam herum. Finde sie! Gehe hin. Da sind Gleichgesinnte. Und du wirst auch die Ruhe für dich selbst finden, wenn du sie lieber hast.
  • Gründe eine Gemeinschaft Gleichgesinnter
    Allein spazieren gehen ist nicht so deins? Du liebst Gesellschaft? Dann gründe doch eine Gemeinschaft! Verabredet euch zum gemeinsamen Spaziergang. Das bringt dir Abwechslung. Und deinem Hund auch. Wo du sowas findest? Sprich doch einfach mal einen anderen gelangweilten Hunde-Spaziergänger an! Oder gehe auf eine beliebige Hundewiese und frage danach.
  • Schließe dich einem Verein oder einer Gemeinschaft an
    In jeder Stadt gibt es mindestens eine Interessengemeinschaft für alles mögliche. Auch, und gerade, wenn es um Hunde geht. Finde sie! Schließe dich ihnen an. Es muss ja nicht gleich die feste Mitgliedschaft sein. Aber es bringt Abwechslung und Farbe in euren sonst tristen Spaziergangs-Alltag.

All das - und noch manches mehr - musst (und sollst) du nicht jeden Tag machen. Aber wie wäre es, wenn du wenigstens jeden zweiten Tag etwas anderes machst? Die Auswahl ist groß. Und wenn du erst mal angefangen hast, wird dir noch etliches mehr einfallen.

Schreibe alles auf verschiedene Zettel. Stecke die in einen Topf. Dann ziehe jeden Tag einen Zettel. Und schon wird der triste Spaziergang für euch beide - für dich UND für deinen Hund - jeden Tag aufs Neue zu einem überraschenden Erlebnis.

Wie lange muss so ein Spaziergang denn sein?

Es gibt da ja so Faustregeln, die bei der Orientierung helfen sollen. So heißt es beispielsweise für Welpen, dass sie pro Lebenswoche 3-5 Minuten draußen sein sollten. Für Junghunde und Senioren heißt es, dass 5-10 Minuten pro Lebensmonat angemessen sind. Andere Faustregeln sagen mindestens 1 Stunde pro Ausflug, also etwa 2 Stunden am Tag.

Doch entscheidender als die Dauer eines Ausflugs ist die Intensität. So kannst du einen Hund, der auf dem Ausflug viel mit der Nase arbeiten muss (Futtersuche, etc.), schon in 10-15 Minuten so platt bekommen, wie es dir vielleicht erst nach 2 Stunden Wanderns möglich wäre. Je mehr Abwechslung, je mehr Aufregung, je mehr ihr gemeinsam erlebt, desto weniger lang "muss" so ein Spaziergang sein.

Und wie oft am Tag?

Sehr junge und sehr alte Hunde bevorzugen es kurz & oft, also lieber mal hier, mal da 5-10 Minuten; dafür aber 10x am Tag. Hunde mittleren Alters reicht es 2x am Tag, dafür aber gern laaaaaange. Doch das sind Mindest-Angaben. Und Pauschalen obendrein. Wenn du es nicht anders einrichten kannst, dann sorge zumindest dafür, dass dein Hund jeweils morgens und abends rauskommt. Es muss ja nicht jeden Tag immer eine volle Stunde oder mehr sein. Sicher findest du einen guten Ausgleich an deinen freien Tagen. Immerhin (siehe oben) könnt ihr GEMEINSAM eine tolle und abwwechslungsreiche Zeit haben.