Stress --- Die 3 bzw. 5 "F"

Solange unser Hund ruhig, verspielt oder verträumt über die Wiese hopst und Schmetterlinge fängt, sind wir als gute Rudelführer tief im grünen Bereich unseres Jobs. Unsere Arbeit beginnt jedoch spätestens, wenn wir eines der Stress-Signale an unserem Hund bemerken. Daher schauen wir uns hier einmal genauer an, welches die Stress-Signale sind; und was wir machen können, sollten bzw. sogar müssen.

Diese Stress-Signale werden vielfach auch als die "3F" bzw. "5F" bezeichnet. Dabei bezieht man sich auf die englischen Begriffe. Deshalb nennen wir sie jeweils mit dazu:

  1. Erstarren/Einfrieren (Freeze)
  2. Flüchten (Flight)
  3. Kämpfen (Fight)
  4. "Durchdrehen" (Fool around oder Fidget)
  5. "Ohnmächtig werden" (Faint)

Die ersten drei, also Einfrieren und dann entweder Kämpfen oder Flüchten, sind die Standard-Verhaltensmuster, mit denen unser Hund seinen Stress aufzulösen versucht. Die beiden anderen, also "Durchdrehen" und "Ohnmächtig werden" sind - Gott sei Dank! - sehr selten, weil es super-extreme und den Körper schwer belastende Reaktionen sind. Trotzdem können sie vorkommen; und wenn du einen sehr sensiblen Hund hast; oder wenn du eine Qualzucht, wie Mops, Franzose oder ähnliches dein Eigen nennst, dann kann es dir schon passieren, dass du auch diese Stress-Auflösungen zu sehen bekommst. Schauen wir uns die Signale also mal genauer an.

Erstarren/Einfrieren - Freeze

Das ist fast immer der Einstieg in den Stress. Unser Hund bemerkt irgendwas, und von einer Sekunde zur anderen erstarrt er und zeigt das Signal deutlicher Anspannung. Dieses Signal ist leicht zu erkennen und schwer zu verwechseln. Beobachte deinen Hund; und du wirst es bei jedem Spaziergang mehrere Male zu sehen bekommen.

Hast du das auch gehört/gesehen?
Was machen wir jetzt?

Für uns, als gute Rudelführer, ist es das Signal, dass wir schleunigst herausbekommen sollten, was unseren Hund da in Anspannung versetzt. Dafür haben wir in der Regel gerade einmal 2-5 Sekunden Zeit. Finden wir in dieser Zeit nicht heraus, was unseren Hund in Anspannung versetzt hat, wird er dazu übergehen, sich die Antwort selbst zu geben. Und das wird im Normalfall eine der beiden folgenden Reaktionen sein: Flüchten! oder Kämpfen!

Jetzt müssen WIR eine Entscheidung treffen.
Dazu haben wir 2-5 Sekunden Zeit.
Ansonsten trifft unser Hund seine Entscheidung selbst.

SPÄTESTENS jetzt (besser aber, wenn du die Situation schon vor deinem Hund kommen siehst) solltest du eine Antwort auf die Frage deines Hundes haben: "Was tun wir als nächstes?" Denn wenn du keine Antwort gibst, dann gibt der Hund sich selbst eine. Die Frage wird IN JEDEM FALL beantwortet. Also ist es besser, wenn du das machst.

Flüchten - Flight

Auch für Raubtiere, wie unsere Hunde, ist es völlig natürlich, zur Flucht überzugehen, wenn die Ursache der Anspannung auch nach 3, 4, 5 Sekunden immer noch nicht aufgeklärt ist, du keine Antwort auf seine Frage gegeben hast oder selbst Unsicherheit zeigst, oder die Ursache bedrohlich oder sogar gefährlich wirkt.

Wenn du beispielsweise einen eher ängstlichen Hund hast, dann kann schon ein Knacken im Gebüsch diese scheinbare Bedrohlichkeit bewirken; und dein Hund würde jetzt am liebsten Hackengas geben und aus der Situation verschwinden.

Aber auch eher mutige Hunde, sofern sie halbwegs vernünftig sozialisiert wurden, sind keine Draufgänger: Wenn sie glauben, die bevorstehende Auseinandersetzung nicht gewinnen zu können; oder wenn sie glauben, der Auseinandersetzung doch noch erfolgreich und unbeschadet ausweichen zu können, dann werden auch sie eher die Flucht bevorzugen.

Flucht ist in unserer menschlichen Welt immer eine gute Maßnahme; und sollte im Zweifel immer deine erste Reaktion sein. Doch bemühe dich, auch bei der "Flucht" die Führung zu behalten. Verlasst die bedrohliche Situation gemeinsam und gesittet. Das ist wichtig für deinen Hund, denn so erkennt er, dass du noch führst und ihr nicht kopflos die Beine in die Hand nehmt. Nicht wegrennen; sondern in einem deutlichen Bogen um die Ursache herumgehen oder in eine klar wegführende Richtung (90°, entgegengesetzt) entfernen. Dabei NICHT auf den Hund einreden, sondern still bleiben und den Weg selbstbewusst gehen. Auch nicht mehr auf die Situation blicken; sondern dorthin, wo du hingehst.

Kämpfen - Fight

Kämpfen! ist bei Hunden praktisch die (vorbeugende) Notwehr. Wenn sie glauben, dass sie besiegen (Achtung! Vertreiben ist auch besiegen!) können, was auch immer sie in Anspannung versetzt hat, dann werden sie sich, sofern die Ursache nicht aufgeklärt wird und du die Führung übernimmst, dazu entscheiden, es zu bekämpfen. Das heißt nicht, dass sie die Ärmel hochkrempeln und sich auf eine Prügelei freuen. Vielmehr betrachten sie es als Notmaßnahme und werden es zumeist erst mal mit Imponieren und passivem und dann aktivem Drohen versuchen. Nur wenige Hunde - die meisten davon obendrein, weil sie es mangels besserer Erziehung nicht besser wissen - gehen hier direkt in den Clich mit dem Gegner.

Gerade unsichere und wenig/schlecht erzogene Hunde können hier leicht zur Selbstüberschätzung neigen. Diese "Angst-Beißer" sind oft die problematischsten Hunde im sozialen Umgang.

Kämpfen ist in unserer menschlichen Welt grundsätzlich schon mal schlecht. Im besten Fall bedeutet es "nur" Lärm und Stress. Im schlechtesten Fall bedeutet es Krankenhaus, Tierarzt und Versicherung.

"Durchdrehen" - Fool around oder Fidget

Das "Durchdrehen" ist, wie oben schon gesagt, zum Glück eine sehr seltene Reaktion. Dabei wird dein Hund wie angestochen in der Gegend herumspringen und alle möglichen Reaktionen - von Angst bis Aggression - zeigen.

Oft glauben die Halter solcher Hunde, dass der Hund nun wahnsinnig Spaß mit der eben noch Anspannung erzeugenden Situation habe. Doch DAS GEGENTEIL ist der Fall: Dein Hund kämpft gerade mit seinen Gefühlen, die in ihm durchdrehen. Er kann dagegen nichts machen. Es überwältigt ihn. Und das verursacht so massiven Stress, dass es mit einem Herzinfarkt oder mit der nachfolgenden Ohnmacht enden kann.

BEISPIEL Stelle dir vor, du bist in einer Situation, in der du nicht weißt, ob du weinen oder lachen; ob du abhauen oder bleiben; ob du kämpfen oder dich verstecken sollst. Aber du musst genau jetzt eine Entscheidung treffen. Du hast nur maximal 2-5 Sekunden Zeit für die Entscheidung. Und diese Entscheidung ist eine ultimative und nicht widerrufbare Entscheidung auf Leben und Tod. Wenn du dich irrst, bist du tot. Das erlebt dein Hund dann gerade.

Durchdrehen ist ein massiver gesundheitlicher Problem-Faktor. Ein sowieso schon angeschlagener oder schwacher Hund kann wegen des enormen Stresses sterben. Das SOLLTEST DU UNBEDINGT VERHINDERN, indem du in dieser Situation die klare Führung übernimmst und deinen Hund durch "Flucht" aus der Situation herausholst, bevor er sich da hineinsteigert.

"Ohnmächtig werden" - Faint

Das "Ohnmächtig werden" ist ebenfalls zum Glück eine sehr seltene Reaktion. Letztlich läuft es darauf hinaus, dass das Nervensystem überreizt und der Kreislauf deines Hundes zusammenbricht. Dann sackt er zusammen, wie ein leerer Sack Kartoffeln. Manche Hunde werden dann tatsächlich ohnmächtig; andere sind einfach nur so schwach, dass sie sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Sie liegen dann da und harren der Dinge, die kommen mögen; unfähig, darauf noch irgendwie zu reagieren.

Dabei kann es passieren, dass dein Hund sich auf die Seite oder auf den Rücken legt. Das ist KEIN Zeichen für "Streichle mich!"; sondern ein schwerer gesundheitlicher Zusammenbruch, der massivsten gesundheitlichen Stress auf den Hund bewirkt. So massiv, dass ein Herzinfarkt durchaus im Bereich des Möglichen liegt.

BEISPIEL Stelle dir vor, du wärst in einer lebensgefährlichen Situation: Dein Blick verengt sich, die Hände werden feucht, du bist zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, dein Kreislauf bricht zusammen; dir wird schwarz vor Augen. Das erlebt dein Hund gerade.

Ohnmächtig werden bedeutet nicht zwingend, dass dein Hund bewusstlos auf dem Boden liegt. Vielmehr ist ihm der Kreislauf zusammengebrochen, weil seine Nerven überlastet wurden. Dabei kann dein Hund STERBEN! Also hole ihn SCHLEUNIGST aus der Situation heraus! Je nachdem, wie angeschlagen dein Hund konstitutionell sowieso schon ist, kann es wirklich um Sekunden gehen.