Futterneid: Warum beschützt mein Hund sein Futter?

Futter ist - neben Rudel (Schutz, Fortpflanzung) und Revier (Schutz, Futter) - für Hunde eine der mächtigsten Ressourcen; mit denen sie keinen Spaß verstehen. Wer es besitzt, dessen Überleben ist schon mal wahrscheinlicher. Daher tendieren viele Hunde dazu, ihr Futter mehr oder weniger intensiv zu verteidigen.

Eigentlich logisch, denn da draußen in der freien Natur, wo die Gene und Instinkte unserer Hunde herkommen, ist bei Weitem nicht jede Jagd erfolgreich. Daher weiß ein Jäger nie, wann er das nächste Mal etwas zu Essen bekommen wird. Das kann nachher sein, das kann morgen sein, es können aber durchaus auch mehrere Hunger-Tage warten; ja, es kann schlimmstenfalls sogar auf Verhungern hinauslaufen. Denn bis heute ist es den Züchtern nicht gelungen, den Hunden hineinzuzüchten, dass wir, die Menschen, jederzeit Zugang zu beliebigen Mengen an Futter haben. Alles, was wir brauchen, ist der Zugang zu einem geöffneten Supermarkt; und der "Jagd-Erfolg" ist 100%ig garantiert.

Was da draußen in der Natur nützlich und sogar überlebenswichtig ist, kann uns, in unserer engen Wohnung, aber ziemlich stören. Ja, es kann sogar gefährlich werden, wenn wir am fressenden Hund vorbei gehen müssen. Darum schauen wir jetzt mal ein bisschen genauer hin, was es ist, und was man da machen kann.

Für die Freunde der Futter-Dominanz haben wir ganz unten ein paar wichtige Worte.

Nochmals: Es ist absolut natürlich!

Es ist absolut natürlich, dass der Hund sein Futter verteidigt. Das macht er - auch, wenn es "bösartig" aussehen mag - nicht planvoll oder bösartig, sondern seine natürlichen Instinkte treiben ihn dazu. Und es ist für ihn ein verdammt harter Weg, dagegen anzutreten.

Futter ist für Hunde instinktiv immer "zu knapp". Daher ist es völlig natürlich, es hartnäckig zu verteidigen.

Im Regelfall ist dieser Futter-Neid auch weit ungefährlicher, als es den Anschein macht: Der Hund verteidigt sein Futter zwar scheinbar grimmig, aber nur in echter Bedrängnis oder bei fortgesetzter Renitenz des potenziellen Mitessers in tatsächlicher Verletzungsabsicht. Selbst wenn er also nach dir schnappt, versucht er nur, dich zu vertreiben; nicht jedoch, dich umzubringen. Trotzdem - oder vielmehr: gerade deswegen - respektiere diesen Instinkt deines Hundes: Mit Futter wird nicht gespielt! Niemals!

Was kann man machen?

Im Grunde hast du zwei Möglichkeiten: Entweder lässt du den Hund in Ruhe fressen und gibst ihm dazu die notwendige Zeit allein in der Küche, hinter einer Barriere, in einem separaten Raum, oder sonstwie geschützt. Oder du versuchst, es mit viel Geduld, Mut, Ruhe und Konsequenz einzudämmen. Nur eindämmen? Ja, nur eindämmen. Denn zeigt dein Hund Futterneid, wird er ihn sein Leben lang behalten. Du kannst nur die Symptome abschwächen und es so etwas gefahrloser machen.

Ich habe mich entschieden, es nicht zu bearbeiten

Wenn du damit leben kannst, dass dein Hund diesen Futter-Neid nun mal hat, dann sorge dafür, dass der Futter-Neid für niemanden kritisch werden kann.

  • Separater Raum
    Wenn es bei euch geht, dann füttere den Hund immer in einem separaten Raum. Das kann das Arbeitszimmer, das Bad oder die Küche sein: Entscheidend ist, dass der Hund während der gesamten Fütterungszeit keine Störungen durch nahe vorbeilaufende Menschen oder andere Bewohner oder Gäste aushalten muss.
  • Genügend Zeit
    Für futter-neidische Hunde ist Fütterungs-Zeit Stress-Zeit. Sie werden permanent vom Gefühl getrieben, in der nächsten Sekunde könnte ein anderer Hund kommen und ihnen Teile des Futters wegnehmen wollen. Daher gib deinem Hund bei jeder Fütterung die Zeit, die er fürs Fressen braucht: Stelle ihm das Futter hin, lass ihn in Ruhe ... und dann warte geduldig, bis der Hund von allein zu dir kommt oder auf seinen Lieblingsplatz geht. Damit zeigt er dir an, dass er fertig ist.
  • Ausreichend Futter; verteilt über mehrere kleine Portionen
    Futter-neidische Hunde haben fast immer die Sorge, dass sie nicht genug zu fressen bekommen. Und je größer der Hunger, desto größer ist meist auch der Futter-Neid. Daher füttere deinen futter-neidischen den Tag über lieber öfter und mit kleineren Portionen.
  • Füttere ihn etwa 30 Minuten BEVOR Gäste kommen
    Fremde Menschen oder Tiere wirken auf futter-neidische Hunde nochmals Stress-steigernd. Daher füttere deinen Hund, BEVOR die Gäste ins Haus kommen. Gib ihm dann ruhig eine besonders große Portion, so dass er längere Zeit satt und zufrieden ist.
  • Spiele NIEMALS mit seinem Futter!
    Auch kein "Guck mal, was die Mami da für dich hat!" Futter ist für futter-neidische Hunde extrem stressbehaftet. Das musst du nicht noch weiter steigern. Stelle deinem futter-neidischen Hund das Futter WORTLOS hin und entferne dich zügig vom Futternapf. Rede bei der Vorbereitung des Futters möglichst gar nicht mit deinem Hund, schon gar nicht aufschaukelnd oder motivierend!
  • Sprechen verboten!
    Unmitttelbar bevor du dem Hund das Futter gibst und während der Hund frisst, wird er NICHT BEACHTET. Gar nicht. Überhaupt nicht. Er existiert nicht. Du wirst merken, wenn er wieder fähig ist, normal mit dir zu kommunizieren. Er wird es dir zeigen.
  • Stören verboten!
    Während der Fütterung ist jegliche Störung des Hundes strikt verboten. Das ist natürlich blöd, wenn der Hund im Bad frisst und du mal dringend musst. Aber das hättest du vorher bedenken sollen.

Versucht aber trotz allem, wenigstens ein kleines Ritual zu etablieren: Der Hund soll sich an seinem Futter-Platz hinsetzen und dich anschauen. Dann stellst du das Futter hin. Währenddessen soll er dich immer noch anschauen. Nicht das Futter! Nicht den Napf! Dich soll er anschauen! Auf das Futter-Kommando ("Bitte schön!", "Guten Appetit!", etc.) hin darf er dann das Fressen beginnen.

Ja, es wird euch sicherlich eine Weile kosten. Doch das ist es wert. Denn wenn dein Hund erst mal gelernt hat, erst auf Kommando zu fressen, kannst du zumindest ein kleines bisschen Kontrolle über seinen Futterneid ausüben.

Ich habe mich entschieden: Wir gehen dagegen an

Du möchtest den Futterneid deines Hundes deutlich reduzieren oder sogar ganz loswerden. Das kann, je nachdem, wie lange dein Hund seinen Futterneid schon ausleben konnte; und wie sehr er zum Schutz seines Futters veranlagt ist, ein langer Weg werden. Richte dich daher darauf ein, dass schon kleinste Fortschritte gute Zeichen sind!

  • Mit Futter wird NICHT GESPIELT!
    Lasse dich UNTER KEINEN UMSTÄNDEN auf irgendwelche "Dominanz-Spielchen" mit dem Futter ein! Futter wird gegeben oder nicht. Und wenn es gegeben wird, dann wird darum nicht gezankt und nicht damit gespielt. Dein Hund muss Vertrauen lernen. Das lernt er nicht, wenn du ihn durch deine Spiele zwingst, dir permanent zu misstrauen. Lasse also diese Spiele von wegen "Napf-wegziehen", und so! Das gilt ganz besonders in den ersten Wochen und Monaten des Futterneid-Trainings. Baue stattdessen ein solides Vertrauen des Hundes auf! Er weiß selbst, dass du die Ressource beherrschst. Schließlich bestimmst du bereits, wann, wo und wie viel er fressen darf.
  • Führe ein Futter-Ritual ein! "Guten Appetit!"
    Lasse deinen Hund VOR der Fütterung und BEVOR du seinen Napf hinstellst, etwa 3-5 Meter (später immer dichter dran) vor dem Futterplatz "Sitz!" machen. Dann stellst du das Futter ab. Und nun soll er DICH anschauen. Nicht den Napf. Nicht das Futter. Nur dich. Am besten direkt in deine Augen. Anfangs reicht es, wenn er es wenigstens flüchtig macht; doch mit der Zeit trainiert ihr, dass er dir geduldig so lange in die Augen schaut, wie du es willst. (30 Sekunden sind hier das Ziel.) Erst DANACH gibst du ihm das Futter-Kommando, nach dem er mit dem Fressen loslegen darf. ("Guten Appetit!", "Bitte schön!", "Lass es dir schmecken!", irgendein UNVERWECHSELBARES Kommando) Stelle sicher, dass der Hund nach dem Kommando UNBEDINGT UNGESTÖRT fressen kann, bis er satt ist oder bis der Napf alle ist. Du musst auch nicht daneben stehen bleiben. Entscheidend ist die sichere Funktion des Futter-Kommandos.
  • Handfütterung!
    Füttere deinen Hund mehrere Tage hintereinander (5-10 Tage) nur - und AUSSCHLIESSLICH - aus der Hand. Sein gesamtes Futter. Auch das "normale" Futter, das du sonst in den Napf schüttest. Nimm eine kleine Menge in deine Hand, öffne sie weit und halte sie still deinem Hund hin. Dann übe das "Guten-Appetit"-Ritual und halte die Hand so lange still und offen, bis er alles in deiner Hand aufgefressen hat. NICHT SPIELEN! Die Hand wird still und offen hingehalten. Das wiederholst du so lange, bis die Ration des Futters vertilgt ist, oder bis der Hund sich freiwillig vom Futter abwendet; je nachdem, was früher eintritt.
  • Fütterung in Kleinmengen während des Spaziergangs
    Gib deinem Hund zu Hause KEIN Futter und auch Leckerlie nur in sehr homöopathischen Dosen. Nimm das Futter auf den Spaziergang mit. Setze dich dort auf eine Wiese, strecke die Beine weit gespreizt von dir und streue eine kleine(!) Menge Futter zwischen deine Beine; etwa auf Höhe deiner Füße. Dann rufe deinen Hund, übe das "Guten-Appetit"-Ritual und lass ihn diese Portion auffressen. Dabei rührst du dich nicht. Du sitzt wie eine Statue da. Kein Geräusch. Keine Bewegung. Das wiederholst du so oft, bis du klar erkennst, dass sich sein Fressverhalten beruhigt. (Es kann durchaus mehrere Tage dauern.) In den kommenden Schritten streust du das Futter immer dichter an dich heran. Doch nimm dir Zeit! Erfolg ist wichtiger als Geschwindigkeit!
  • Fütterung in Kleinmengen zu Hause
    Anstatt deinem Hund die gesamte Portion in den Napf zu schütten, gibst du nur eine Hand voll in den Napf. Dann gehe 4-5 Schritte vom Napf weg und übt das "Guten-Appetit"-Ritual. Klappt das gut und sicher, wiederhole dieselbe Prozedur, aber nähere dich nach jedem erfolgreichen Durchgang immer mehr dem Futternapf an. Während des Fressens: Nicht bewegen, nicht reden! Nur still dastehen und zuschauen. Reagiert der Hund aggressiv, tritt langsam 1, 2, 3 Schritte zurück, bis er wieder ruhiger wird.
  • Fütterung nach ausgiebiger körperlicher Erschöpfung
    Mache einen ausgedehnten und für den Hund körperlich anstrengenden Spaziergang, bei dem ihr viele aktive Spiele spielt. Das Ziel ist hier wirklich, einen sehr erschöpften und müden Hund zu bekommen. Dann füttere den Hund nach einer der vorgenannten Methoden. Aufgrund der Erschöpfung wird dein Hund sehr viel weniger Aggressions-Verhalten zeigen. Doch lasse dich nicht täuschen! Das ist nicht, weil er weniger aggressiv verteidigt, sondern weil er zu müde zum Streiten ist.
  • Doppelte Fütterung
    Wenn dein Hund dir beim Fressen Angst macht, weil er mittlerweile schon wahnsinnig aggressiv ist, kannst du ihn auch 2 Mal füttern: Nutze dazu zwei Futter-Sorten. Eine, die deinem Hund nachweislich nicht so gut schmeckt. Damit fütterst du ihn ganz normal im Napf mit den üblichen Mengen (in den ersten Tagen ruhig ein bisschen mehr als normal) und den üblichen Vorsichtsmaßnahmen, so dass er anschließend vollgefressen und träge ist. Dann zückst du das Lieblingsfutter deines Hundes und fütterst ihn nach einer der vorgenannten Methoden aus der Hand oder in Kleinstmengen. Da dein Hund bereits satt ist, muss das Futter natürlich ziehen. Im Zweifel nimm größere Mengen Leckerlie für die ersten Trainingstage. Der Vorteil ist, dass ein satter Hund weniger Futterneid und damit weniger Aggression entwickelt.

GANZ WICHTIG: Futterneid ist ein sehr starker Instinkt. Bleibe hier unbedingt stets ruhig, geduldig, konsequent und selbstsicher! So vermeidest du größere Rückschläge und Enttäuschungen. Gehe auch nur in super-winzigen Schritten vorwärts und übertreibe deine Erfolgserwartungen nicht. Es kann eine ganze Weile dauern, bis dein Hund seinen Futterneid gegen Vertrauen zu dir eintauscht. Und gerade in den ersten Monaten wird er dabei stets misstrauisch bleiben.

Wähle die Methode, mit der du unter Berücksichtigung der aktuellen Stress-Situation deines Hundes (Futter ist für futterneidische Hunde eine sehr extreme Stress-Situation) selbst mental gut und sicher klarkommst und die ungefährlich ist. Du kannst auch jederzeit zwischen den Methoden wechseln. Alle Methoden führen dich zum gleichen Ziel. Daher hat SELBSTSICHERHEIT in deinem eigenen Verhalten die oberste Priorität. Und die kannst du nur zeigen, wenn du dich mit der gewählten Methode selbst nicht unsicher fühlst.

Sobald du eine solide und verlässliche Vertrauens-Grundlage geschaffen hast und der Hund deutlich weniger Aggresion zeigt, übe die Fütterung ZUSAMMEN MIT ANDEREN HAUSHALTS-MITGLIEDERN! Und zwar MIT ALLEN! Nacheinander. Denn es ist für den Hund sehr bedrohlich, wenn ihr alle im Kreis um ihn herumsteht. Anfangs lässt du ein Familienmitglied nur in der Entfernung zuschauen. Dann immer dichter. Schließlich soll das Familienmitglied die Fütterung übernehmen, während du - erst nahe, später immer weiter entfernt - die Zuschauerrolle übernimmst. Es ist wirklich wichtig, dass der Hund erlebt, dass ALLE Haushaltsmitglieder ihn füttern. Er muss sich das Vertrauen zu jedem einzelnen von euch erst erarbeiten. Gib ihm die Gelegenheit dazu!

Das Haupt-Ziel ist Vertrauen; nicht Dominanz! Dein Hund muss lernen, dass er dir bei einer der für ihn wichtigsten Ressourcen vertrauen kann. Vermeide daher beim Training alle Handlungen, die Misstrauen begründen könnten.

Nochmals, weil es wirklich entscheidend ist: Mache keinesfalls zu große Schritte, um "schnelleren Fortschritt" zu erzielen, oder so. Futterneid ist ein tief sitzender Instinkt. Dein Hund wird Zeit brauchen, gegen ihn anzutreten. Begnüge dich mit kleinen Fortschritten. Überfordere deinen Hund nicht, denn jeder Rückschlag wirft euch um etliche Tage oder sogar Wochen im Training zurück. Dein Hund muss ein völlig neues Verhalten lernen und das alte möglichst ganz vergessen. Das kann er nur, wenn es möglichst nie wieder auftritt. Also provoziere es nicht durch allzu hastiges Vorpreschen!

Bewahre dir die Aufmerksamkeit! Der Weg des Ankämpfens gegen Futterneid kann von deutlichen Rückschlägen gezeichnet sein, weil schon kleinste Fehler von uns den Hund in die gewohnten (und bisher ja erfolgreichen) Muster zurückfallen lassen können. Richte dich darauf ein! Und bedenke stets, dass Futterneid-Aggression zwar nicht töten will, aber durchaus schmerzhaft sein kann. Werde also beim Training und auch in den Monaten(!) danach niemals übermütig; nur, weil der Hund jetzt sooooo viel ruhiger frisst.

Für die Freunde der harten Dominanz: Nein, es ist nicht "Alpha", das Futter grenzenlos zu beherrschen

Ein paar Worte noch an die Freunde der "harten Dominanz": Vielfach ist von dem Gerücht zu hören, dass allein der Alpha über die Futter-Ressource bestimme und jederzeit nach Belieben das Futter entziehen dürfe. Das ist schlicht unwahr! Und un-natürlich! Beim Fressen hat der Alpha zwar Vorrang, aber nicht das Verfügungsrecht. Jeder andere Hund oder Wolf darf ebenfalls fressen und seine Fress-Rechte verteidigen; auch gegen den Alpha. Das ist KEIN ANGRIFF auf die Rangfolge im Rudel, sondern situative Dominanz.

Verwechsle nicht Dominanz mit Tyrannei!

Futterneid ist kein Angriff auf die Rangfolge, sondern situative Dominanz.

Wenn du hier also mit Dominanz arbeiten willst, dann darfst du gern mit deinem Hund diskutieren, WER ZUERST am Futter naschen darf; doch nicht darüber, ihm nach Belieben das Futter während des Fressens zu entziehen. Ein Alpha, der in der Natur so handeln würde, würde sehr gefährlich leben und sollte in der Nähe von Futter stets Augen im Hinterkopf haben.

Die stärkste Form der erlaubten Futter-Dominanz - und schon das ist ein menschlicher psychologischer Trick - ist die Handfütterung; also das Füttern des Hundes aus der Hand des Menschen. Noch klarer können und brauchen wir dem Hund nicht klarmachen, dass wir - und nur WIR - es sind, die das Futter dominieren.