Die richtige Belohnung

"Waaaaaaaas? Es gibt richtige und falsche Belohnungen?", denkst du jetzt? Dann bist du hier genau richtig. Denn jetzt schauen wir uns mal etwas genauer an, wie die Sache mit den Belohnungen für unsere Hunde aussieht.

Du weißt schon, was der Unterschied zwischen falschem Lob und richtigem Lob ist. Jetzt schauen wir uns an, was falsche, schlechte, mittelmäßige, geht-so, gute und sehr gute Belohnungen AUS DER SICHT UNSERES HUNDES sind.

Ist es Belohnung oder eher Bestechung?

Der wichtigste Punkt, wenn es zum Thema Belohnung kommt, ist tatsächlich die Frage "Belohne oder besteche ich meinen Hund gerade?" Und die Antwort wird, wenn du selbst mal auf dein "Belohnungs-Verhalten" achtest, manchmal sehr stark in Richtung der Bestechung ausschlagen: Du belohnst deinen Hund nicht für eine gute Tat. Du bestichst ihn, damit er sie macht.

Wie? Du hast das Leckerlie bereits vor oder während der Ausführung in der Hand oder zumindest griffbereit, und dein Hund weiß oder sieht es sogar. In diesem Fall belohnst du deinen Hund nicht, sondern du bestichst ihn, indem du ihm das Leckerlie wie eine Mohrrübe vor die Nase hältst.

Der Unterschied ist wichtiger, als man auf den ersten Blick denkt: Eine Bestechung ist eine Variante der psychologischen Nötigung ("Wenn du jetzt das und das machst, dann bekommst du ...") Eine Belohnung hingegen ist aus der Sicht eines Menschen nichts anderes als ein "Danke schön!" Aus der Sicht eines Hundes ist es jedoch viel mehr! Da ist es ein "Ich mag dich! Schön, dass es dich gibt! Lass uns zusammen die Gefahren der Welt meistern! Wir beide gehören zusammen!" Es ist Respekt!

  • Bestechung
    Es ist Bestechung, wenn dein Hund schon vor der Ausführung eines Auftrags (Kommando, Trick, etc.) oder zum Zwecke der Einhaltung von Erziehungsregeln die Belohnung sieht oder ahnt. Wenn du also das Leckerlie schon in der Hand hast; oder wenn du es griffbereit am Gürtel hast und dein Hund aus Erfahrung weiß "Gleich! Gleich wird sie in den Leckerlie-Beutel greifen!", dann belohnst du nicht; dann bestichst du deinen Hund.
  • Belohnung
    Es ist Belohnung, wenn dein Hund keine Ahnung hat, ob er nach der Ausführung eines Auftrags oder bei Befolgung von Erziehungsregeln überhaupt eine Belohnung bekommt; oder gar ahnt, welche es sein könnte. Wenn du also vielfach sein richtiges Verhalten einfach als normal betrachtest und keiner besonderen Aufmerksamkeit wert; aber urplötzlich doch einmal eine Ausführung eines Auftrags mit einem gemeinsamen Spiel, einem sanften Streicheln, ein paar lobenden Worten ... oder auch einem Leckerlie belohnst, dann belohnst du deinen Hund. Und dann wird er haufenweise Glückshormone ausschütten.

Natürlich können (und wollen) wir das gar nicht so krass trennen und uns nun für immer von der Bestechung verabschieden. Gerade, wenn unser Hund Neues lernt - ganz egal, ob Erziehungsregeln, Kommandos oder Tricks -, dann hilft die Bestechung sehr, bestimmte Verhaltensmuster zu fördern. Doch im normalen Zusammenleben, im Alltag sozusagen, da sollten wir sehr deutlich zwischen beidem trennen. Denn die Belohnung fördert den Respekt. Die Bestechung nicht. Und das, obwohl wir in beiden Fällen Leckerlie ausschütten...

Das Prinzip ist gleich, das Ziel ist gleich; der Weg ist anders

Die Sache mit den Belohnungen fällt uns Menschen gar nicht so schwer zu verstehen. Wir machen das mit uns selbst ganz ähnlich: Nach einem anstrengenden Tag ein bisschen auf dem Sofa chillen, die Beine hoch und ein schönes kaltes Bier, ein Glas Wein, eine Tafel Schokolade, ... und schon strömen die Glückshormone durch unseren Körper. Auch, wenn uns etwas Schwieriges gut gelungen ist, klappt das mit dem Glücklich-fühlen schon ganz allein durch den Erfolg in der Sache.

Hunde kennen das natürlich auch. Auch sie können sich glücklich fühlen. Dummerweise ignorieren wir, als Menschen, dabei ihren Weg zur Ausschüttung der Glückshormone meist sehr weitgehend. Stattdessen verlangen wir oft von ihnen, dass sie "auf Knopfdruck" glücklich zu sein haben. Wie? Mit Leckerlie. Das ist, so denken wir, die Schokolade des Hundes. Folglich muss es auch so funktionieren, wie bei uns die Schokolade: Vorfreude, Freude am Geschmack, ... Ende.

Und doch ... natürlich akzeptiert der Hund unser Leckerlie, aber erstaunlicherweise mag er auch andere Dinge. Und die sogar meistens viel, viel lieber.

Also ist Leckerlie schlecht?

Nein, Leckerlie ist NICHT schlecht. Es ist aber NUR EINE mögliche Belohnung. Und es ist bei Weitem nicht die beste, die dein Hund sich vorstellen kann. Auch, wenn er die Leckerlies bei jeder sich bietenden Gelegenheit kiloweise fressen würde, bis sein Magen krampft und die Bauchdecke auf dem Boden schleift, weil aus irgendeinem Grund beim Fressen die Beine kürzer zu werden scheinen.

Wenn du deinen Hund also wirklich belohnen willst, dann beachte ihn! Er sagt dir, was seine liebsten Belohnungen sind. Jeden Tag. Du musst nur hinschauen.

Was bevorzugen Hunde als Belohnung?

Du wirst, wenn du mal Hunde beobachtest, nie feststellen, dass einer der beiden plötzlich in die Tasche greift, ein Leckerlie hervorzaubert und es dem anderen Hund gibt, um ihm zu zeigen, dass er ihn jetzt belohnen will. Trotzdem wirst du keinen Hund sehen, der ohne diese Leckerlie-Belohnung traurig auf der Wiese hockt, weil ihn anscheinend niemand belohnt. Was sind also die Belohnungen der Hunde, wenn sie nicht nach menschlichen Maßstäben gemessen werden?

  1. Aufmerksamkeit
    Aufmerksamkeit ist DIE NATÜRLICHE BELOHNUNG schlechthin. Sie wirkt genauso Glückshormon-ausschüttend, wie das beste verfügbare Leckerlie, hält aber länger an. Und - was für uns am Wichtigsten ist - sie stärkt den gegenseitigen Respekt. Damit schlagen wir also ZWEI FLIEGEN MIT EINER KLAPPE: Wir belohnen eine aktuelle gute Tat; UND wir stärken unseren gemeinsamen Zusammenhalt.
  2. Gemeinsames Spiel
    Gemeinsames Spielen ist ist eine besonders aktive Variante der Aufmerksamkeit. Dabei geht es nicht darum, nun stundenlang mit dem Hund spielen zu müssen. Ein kurzer gemeinsamer Wettlauf; ein, zwei kleine Zerrspiele, ein paar Sekunden gemeinsames Rangeln auf der Wiese; ... Hauptsache aktiv, Hauptsache gemeinsam!
  3. Futter, natürlich!
    Futter, und zwar JEGLICHES Futter, ist die stärkste Ressource überhaupt, denn sie setzt am stärksten Instinkt, dem Überlebens-Instinkt, an. Probiere hier verschiedene Sorten von Leckerlie und auch "normalem" Futter aus. Du wirst überrascht sein, was dein Hund als besonders lecker empfindet. Und denke daran: Auch der Geschmack deines Hundes kann und wird sich ändern.

Was meint "Aufmerksamkeit"?

An dieser Stelle wirst du nun empört mit den Füßen aufstampfen und sagen "Mein Hund bekommt viel, viel Aufmerksamkeit von mir! Also belohne ich ihn ständig!" Und es wäre genau jetzt an der Zeit, still nachzudenken: Stimmt das wirklich? Bekommt dein Hund wirklich hunde-gerechte Aufmerksamkeit von dir? Oder ist es nicht vielleicht eher so ein Menschen-Ding, also mehr deiner eigenen Vorstellung von Aufmerksamkeit entsprungen und dem Hund aufgepropft? Im Abschnitt Wie sage ich meinem Hund, dass ich ihn liebe? findest du dazu ausführlichere Informationen.

Abwechslung & Überraschung --- die Schlüssel zu erfolgreicher Belohnung

Dir geht es doch genauso: Jeden Tag ganze Berge von Schokolade werden irgendwann langweilig, selbst wenn du früher für Schokolade gemordet hättest. Abwechslung ist also ein wichtiges Zauberwort.

Und wie steht'smit der Überraschung? Genauso! Wenn du weißt, dass du jeden Tag Schokolade bekommst, wird sie irgendwann langweilig und das mit dem Glück durch Schokolade flacht immer mehr ab. Wenn du aber nie weißt, was deine Belohnung für eine gute Tat oder einen besonderen Erfolg sein wird, ... dann, ... ja, genau! ... dann freust du dich über deine Belohnung sehr viel mehr. Da wird aus einem fast schon enttäuschten "Oh, schon wieder Schokolade? Wie nett!" schnell ein sehr viel glücklicher machendes "Heute gibt's Blumen? Super!" und "Was? Wir gehen heute abend aus?"

Klingt akzeptabel, oder?!

Wir sehen also: Es muss keineswegs immer das Leckerlie sein. Im Gegenteil: Wenn wir mehr "hunde-gerechte" Belohnungen nutzen, dann verbessern wir unsere gemeinsame Bindung ganz nebenbei noch sehr viel stärker und schneller.

Das Leckerlie kann bleiben. Doch wenn wir die anderen, die hündischeren & natürlicheren Varianten der Belohnung häufiger verwenden, werden wir noch schneller, noch mehr Erfolg bei der Erziehung haben, weil wir damit zugleich auch den gegenseitigen Respekt stärken.

Vorsicht! Fallstrick! Belohnung verstärkt das Verhalten unseres Hundes

Belohnung verstärkt das Verhalten unseres Hundes. Logisch, nicht wahr?! Denn wir sagen ihm mit einer Belohnung schließlich: "Super! Mach weiter so! Genauso will ich es haben!" Wie kann das nun aber zu einem Fallstrick für uns werden? Im Abschnitt Falsches Lob hatten wir uns ja schon angeschaut, dass es dabei extrem auf das richtige Timing und die richtige Intensität ankommt. Schauen wir uns das mal an einem Beispiel genauer an:

Dein Hund entdeckt beim Spaziergang einen Haufen Pferdemist. Interessiert läuft er darauf zu. Du jedoch - den stinkenden und schmutzigen Hund schon bildlich vor Augen - rennst nun schreiend und heftig mit den Armen wedelnd auf ihn zu: "Nein! Geh weg da! Nicht dahin! Nein, Bello! Komm her! Lass das! Aus! Pfui! Das stinkt doch! ... Nein, Bello! Auch nicht fressen! Geh endlich weg da! Komm hierher! ..."

Was hört und sieht dein Hund? --- GENAU! AUFMERMSAMKEIT VON DIR! Er hört dich über die Wiese brüllen: "Geil! Lass uns damit spielen! Siehst du! Ich komme schon. Lass uns Fangen spielen! Mal sehen, wer die Beute erobern oder behalten kann!" Er schnappt sich also ein großes Maul voll von dem Zeug und sprintet vor dir davon quer über die Wiese...

Das wäre jetzt nicht ganz so im Sinne dessen, was du dir erhoffst, nicht wahr?! Daher merke dir, dass nicht nur Timing & Intensität wichtig sind; sondern auch die Art der Belohnung eine Rolle spielt: Nicht, was DU glaubst, das eine Belohnung sei, ist für deinen Hund eine Belohnung; sondern das, was ER glaubt, das eine Belohnung sei.

LÖSUNG Was in diesem Beispiel das eigentliche Problem ist? Dieser Hund bekommt seiner Meinung nach zu wenig effektive Aufmerksamkeit von seinem Leinenhalter; ganz egal, wie viel Leckerlie dieser Leinenhalter seinem Hund ins Maul schiebt. Daher buhlt er um die Belohnung der Aufmerksamkeit ... und kein Leckerlie kann ihn davon abhalten. Und sein Leinenhalter folgt diesem Ruf.

Stattdessen würde an dieser Stelle nur ein alternatives Aufmerksamkeits-Angebot helfen: Anstatt schreiend hinzurennen oder dem Hund laute Kommandos, auf die er sowieso nicht hören wird, zuzurufen, bieten wir ihm EIN GEMEINSAMES SPIEL nach unseren Regeln an. "Fang mich!", zum Beispiel. Wir laufen so schnell wir können in die entgegengesetzte Richtung, oder in eine Richtung seitlich vom Pferdemist, und rufen den Hund in Abständen kurz und nur so intensiv, dass er uns Aufmerksamkeit widmet. Sobald er in unsere Richtung rennt, haben wir gewonnen. Denn ja: Er wägt kurz ab "Allein mit dem Pferdemist spielen? Oder zusammen mit meinem Rudel den Wind einfangen? Was möchte ich jetzt lieber machen?" Und die Zeitdauer der Abwägung, wie auch das Ergebnis derselben, ist nur eine Frage des momentanen Respekts den dein Hund gerade für dich übrig hat; und den du nun, mit diesem Wissen, noch sehr viel effektiver erwerben & festigen kannst.

... und schon haben wir die Belohnung nach unseren Regeln genutzt. Ganz ohne Leckerlie und Bestechungsversuche...