Gewaltfreie Erziehung? Geht das?

Das Thema gewaltfreie Erziehung ist eines der woken Themen dieser Zeit. Naürlich!!!!! erzieht man seinen Hund heutzutage völlig!!!!! gewaltfrei! Was denn sonst?! Wir sind doch schließlich keine Barbaren!

Diese Behauptung ist Grund genug, da mal etwas genauer hinzuschauen: Stimmt das wirklich? Oder ist das wieder mal nur ein Ammenmärchen für Leute, denen ihre Hunde egal sind, und die nur selbstsüchtig "ein gutes Gefühl" haben wollen?

Was sagt der Duden dazu?

Wenn eines sicher ist, dann, dass uns unser Glauben gern mal im Stich lässt, wenn es um harte Fakten geht. Das haben wir in unseren Betrachtungen schon vielfach feststellen müssen. Daher werfen wir jetzt erst mal ganz entspannt einen Blick darauf, was der Duden zum Thema "Gewalt" zu sagen hat:

Gewalt, die:

= Macht, Befugnis, das Recht und die Mittel, über jemanden (etwas) zu herrschen oder zu bestimmen

Und da schwant es uns auch schon, nicht wahr?! NATÜRLICH ... benutzen wir Gewalt. Jeden Tag. Jede Stunde. Permanent. Wir dominieren unseren Hund. WIR legen fest, wie der Tagesablauf aussieht. WIR legen die Regeln des Zusammenlebens fest. WIR bestimmen, was und wie viel unser Hund fressen darf, ob und wie viel Sozialkontakte er haben darf, ob und wann er etwas hergeben soll, das er wahnsinnig gern behalten würde, wie er sich zu benehmen hat, wann er bellen darf, wen er anknurren darf, ... überhaupt: WIR legen fest, was unser Hund darf; und was nicht. Und das müssen wir auch irgendwie durchsetzen.

WIR legen fest, was unser Hund darf und was nicht. WIR legen fest, wann unser Hund etwas darf und wann nicht.
NATÜRLICH ist das Gewalt.

Wir geben das nur nicht gern zu. Das könnte an unserem Image kratzen. Deshalb definieren wir haufenweise Begriffe einfach um. "Futter" ist beispielsweise zwar für Hunde eine - und zwar die mächtigste überhaupt - Macht-Ressource (wer sie besitzt, bestimmt darüber), aber was interessieren uns die Hunde und wie sie die Welt sehen. WIR legen fest, wie die Welt auszusehen hat. Basta!

Was meint "gewaltfreie Erziehung" denn nun?

Die Freunde der gewaltfreien Erziehung versuchen dann auch prompt zu beschwichtigen "So ist 'Gewalt' nicht gemeint. Wir meinen 'Strafen', und so."

Und wäre der Ansatz nicht ebenso völlig gedankenlos, wie die Behauptung, es gäbe "gewaltfreie Erziehung", dann könnte man es ja verstehen. Doch die Freunde der vorgeblich gewaltfreien Erziehungs-Methoden setzen sehr wohl Strafen und Gewalt ein. Und schlimmer noch: Sie benutzen die Gewalt nach dem menschlichen Verständnis. Die Hunde sind ihnen dabei weitgehend egal.

Gewaltfreie Erziehung, also nach der Definition "der Verzicht auf jegliche Strafen", ist ein tolles Ideal. Nur funktioniert es nicht. Also zumindest nicht bei Hunden. Nicht nur, weil das den Instinkten des Hundes zuwiderläuft; sondern auch, weil der Verzicht auf Gewalt und Strafen konsequenterweise auch den Verzicht auf Regeln und deren Durchsetzung einschließt. Und es schließt sogar den Verzicht auf jegliche Form von "Leckerlie" ein; denn das ist Futter --- und wir hatten es ja schon: Wer das Futter besitzt, der dominiert; der herrscht.

Das, worauf sie tatsächlich verzichten (zumindest ist das zu hoffen), ist die physische Gewalt, wie Schläge, Herumzerren, etc. Doch die psychische Gewalt benutzen sie, selbstverständlich mit der Ausrede, man benutze ja keine Gewalt, schamlos und leider oft auch fast grenzenlos. Und vielfach - nicht immer, aber viel zu oft - arbeiten sie dabei GEGEN die Instinkte der Hunde. Sicherlich nicht absichtlich; aber genauso gedankenlos, wie sie mit der Behauptung "Ich erziehe meinen Hund 'gewaltfrei'!" hausieren gehen.

Warm wir das so betonen und darauf herumreiten? Gedankenlos eingesetzte Gewalt ist die schlimmste Gewalt! Denn die Ausrede, "man benutze ja keine Gewalt", macht es möglich, Gewalt bis zum Exzess nutzen ... ohne je ein schlechtes Gewissen zu haben.

Es gibt keine "gewaltfreie Erziehung"!

Finden wir uns also damit ab: Solange wir nicht völlig auf Erziehung verzichten und dem radikalen Anarchismus verfallen wollen, kommen wir nicht um die Gewalt herum. Wir brauchen Regeln im Zusammenleben mit unserem Hund. Und wir müssen diese Regeln irgendwie durchsetzen; denn viele dieser Regeln widersprechen den natürlichen Instinkten unseres Hundes. Machen wir uns das IMMER bewusst!

Nur, wenn uns wirklich in jeder Sekunde absolut klar ist, dass wir sehr wohl Gewalt gegen den Hund einsetzen, können wir mit dieser Gewalt auch haushalten. Dann können wir uns bei jeder Anwendung fragen:

Braucht es jetzt wirklich Gewalt, um unser Ziel zu erreichen?

Welche Gewalt braucht es nie?

Lasse uns das noch einmal genau herausarbeiten, damit es nicht zu Missverständnissen kommt:

  • Jegliche Gewalt, die auf "körperliche Züchtigung" hinausläuft, ist Gewalt, die wir NICHT BENUTZEN. Es gibt keinen einzigen guten Grund, deinen Hund jemals zu prügeln. Nicht einen. Nie.
  • Auch "frustriertes Herumzerren an der Leine" gehört dazu: Das ist völlig unnötige Gewalt, die mehr schadet als nutzt. Das heißt jedoch nicht, dass wir die Leine nicht auch benutzen, um uns unserem Hund mitzuteilen. Ein leichtes Zupfen, ein rücksichtsvolles, aber beständiges Ziehen, all das ist auch Gewalt im eigentlichen Sinne. All das nutzen wir aber sehr wohl. Und hoffentlich auch sehr bewusst.
  • Und, du ahnst es sicher schon, auch psychische Gewalt, wie etwa das Anschreien unseres Hundes, ist sinnlose Gewalt. Dein Hund versteht sie schlicht nicht. Für ihn wirst du in diesen Augenblicken nur zum Tyrannen.

Merksatz Wenn du frustriert oder verärgert bist, und das WIRST du öfter mal sein, lasse es niemals an deinem Hund aus! Schreie Bäume an! Verprügle einen Stein! Aber lasse dann deinen Hund in Ruhe.

Der Schaden, den du mit der unbedachten Gewaltanwendung anrichtest, beispielsweise im Hinblick auf den erforderlichen Respekt, ist fast immer größer als der Nutzen, sich etwas von der Seele gebrüllt oder gar geprügelt zu haben.

Welche Gewalt benutzen wir?

Wir verzichten also auf physische Gewalt so weit es irgend geht. Doch wie sieht es mit der psychischen Gewalt aus?

Naja, wir sind Menschen. Wir haben einen Verstand. Und den benutzen wir schamlos und intensiv. Hoffentlich, jedenfalls. Deshalb nutzen wir unser Wissen über die Instinkte und Triebe unseres Hundes schamlos, um die Dinge zu unserem Vorteil zu drehen.

  • Wir wissen, dass Futter (dazu gehört auch "Leckerlie") und die Dominanz darüber eine extrem mächtige Ressource ist. Das nutzen wir an vielen Stellen ziemlich schamlos aus.
  • Wir wissen, dass Respekt die wichtigste Grundlage für Entscheidungen unseres Hundes sind. Also nuzen wir das schamlos aus, indem wir uns seinen Respekt mit allen möglichen Tricks und Kniffen erarbeiten und diesen dann durchaus auch gegen seine Instinkte benutzen, um ihn sicher durch unsere Welt zu führen.

Es gibt zwar noch einige weitere "Gewalt-Mittel", doch wenn du diese allein diese Beiden stets bewusst verwendest, wenn du also wirklich darüber nachdenkst, wie und was du gerade bewirken KANNST und WILLST, dann hast du beim Löwenteil der Erziehungs-Arbeit sehr viel weniger Arbeit. Und dein Hund wird es dir danken.