Wie verdiene ich mir den Respekt meines Hundes?

In unserer ersten Betrachtung des Respekts haben wir festgestellt, dass es zwei Arten des Respekts gibt: Den erzwungenen (autoritären) Respekt, den man einem gnadenlosen Tyrannen geben muss; und den erworbenen (freundschaftlichen) Respekt, den man einem Freund ganz freiwillig gibt, weil man ihm vertraut.

Wir haben auch festgestellt, dass es für den erzwungenen (autoritären) Respekt nicht viel bedarf: Ein guter Knüppel, den man dem Hund zwischen die Ohren schlägt, bis er bricht, reicht völlig aus. Verstand ist nicht nötig. Terror reicht.

Wie steht es aber mit dem erworbenen (freundschaftlichen) Respekt? Wie bekomme ich den von meinem Hund? Also wie gibt er ihn mir ganz freiwillig? Und auch da hatten wir bereits festgestellt, dass es super-einfach ist. Also zumindest im geschriebenen Wort. Denn es ist nur das Folgende:

Sei immer geduldig!
Sei immer konsequent!
Verlange meistens Disziplin!
Gib hin und wieder ein bisschen Zuneigung!
allgemeine Faustregel (unbedingt merken!)

Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Und weil das so wichtig ist, so fundamental wichtig, schauen wir uns das genau an. Denn wenn wir das verstanden haben und in unserem Alltag auch wirklich umsetzen, dann lösen sich alle unsere Probleme schon bald im Nebel der vergangenen Geschichten auf...

Sei immer geduldig!

Wir alle - auch dein Hund - haben gute und schlechte Tage. Was uns gestern locker aus der Hüfte gelang, will heute überhaupt nicht gelingen. Und wenn wir etwas Neues lernen, ist es oft mit viel Mühe und noch mehr Rückschlägen verbunden.

Unserem Hund geht es nicht anders. Auch er hat Tage, an denen er leicht abzulenken oder leicht aufzuregen ist. Und auch er hat Tage, an denen er dich ernster nimmt als an anderen Tagen.

Du kannst es nicht ändern. Dein Hund kann es nicht ändern. Aber du kannst es berücksichtigen! Wenn etwas nicht klappt, wie du es dir vorgestellt hast, dann verliere nicht die Geduld! Bleibe dran. Aber bleibe immer ruhig und gelassen. Selbst dann, wenn du es gefühlt zum Hundertsten Mal machen musst.

Sei immer konsequent!

Das ist schon viel schwieriger als die Sache mit der Geduld. Denn Konsequenz bedeutet NICHT "STRENGE", sondern schlicht und einfach:

"Ja!" bleibt "Ja!"
&
"Nein!" bleibt "Nein!"

Ganz egal, wie süß die Augen deines Hundes aussehen, wenn er bettelt. Ganz egal, wie niedlich er schmollt: Lege Regeln fest. Und dann halte dich stur daran. KEINE AUSNAHMEN! NIEMALS.

Warum? Dein Hund vrsteht das menschliche Konzept der "Ausnahme" nicht. Für ihn gilt: "Ich darf? Dann darf ich immer!" und "Ich darf nicht? Dann darf ich nie!" Das kann er sich merken. Das versteht er. Logisch: Nicht immer findet er es gut. Das geht dem Menschen genauso. Und natürlich würde er statt eines "Nein!" manchmal lieber ein "Ja!" hören. Aber das sind REGEL-ÄNDERUNGEN für ihn. Und Änderungen an Regeln VERUNSICHERN deinen Hund. Du tust ihm also nichts Gutes, sondern du verwirrst ihn, wenn du Ausnahmen machst.

Klassisches Beispiel: Darf der Hund ins Bett bzw. aufs Sofa oder nicht?

Das ist allein deine Entscheidung. Manche mögen es, andere tolerieren es, wieder andere finden es schlimm. Der Hund kann mit allem leben. Doch wenn du dich einmal entschieden hast, dann bleibe dabei! Entweder darf er NIE oder IMMER. Mit "Sonntags darfst du; sonst nicht!" kann er nichts anfangen, denn das Konzept der Zeiteinteilung in Wochentage kennt er nicht.

Noch schlimmer: "Heute ja. Ausnahmsweise! Als 'Belohnung'." Das versteht dein Hund überhaupt nicht. Und er Ärger ist schon vorprogrammiert, wenn er es morgen wieder versucht, weil er dir vertraut und glaubt, das sei nun die neue Regel.

Dein Hund kann mit einem "Nein!" prima leben. Es gefällt ihm vielleicht anfangs nicht. Aber er akzeptiert es als Regel. Womit er jedoch nicht leben kann, ist, dass etwas mal erlaubt ist und mal nicht. Das verwirrt ihn. Das verunsichert ihn. Und das kostet dich seinen Respekt. Denn er will SICHERHEIT & EINDEUTIGE KLARHEIT von dir bekommen.

Natürlich kannst und darfst du Regeln auch ändern. Doch dann ist es eine neue Regel, die von jetzt ab für alle Zeit und ohne Ausnahme gilt. Beispielsweise durfte Wuffi bisher immer mit aufs Sofa. Das war alt, da war das nicht schlimm. Jetzt aber soll er nicht mehr aufs neue Sofa. Das Ding hat viel Geld gekostet und ist ziemlich empfindlich. Das ist für deinen Hund okay. Er wird einige Zeit brauchen, um nicht mehr einfach hochzuspringen, wie er es bisher gewohnt war; und wie die bisherige Regel lautete. Aber irgendwann hat er es begriffen. Und dann macht es ihm nichts aus, zu deinen Füßen liegen bleiben zu müssen.

Verlange meistens Disziplin!

"Sind wir jetzt beim Militär, oder was?!", denkst du jetzt vielleicht. "Ha! Disziplin! Wie albern! Ich will zivil mit meinem Hund leben. Keinen Kasernen-Soldaten aus ihm machen."

Doch tatsächlich meint es nur, dass du entweder etwas vom Hund willst oder nicht. Wenn du dich entschieden hast, etwas von ihm zu verlangen, dann sorge auch dafür, dass es geschieht! Klar: Ruhig und konsequent. Aber sorge dafür! Denn anderenfalls machst du dich auf Dauer schlicht unglaubwürdig. Und das bringt dir keinen Respekt; das kostet dich Respekt.

Klassisches Beispiel: "Sitz! ... oder auch nicht!"

Du gibst deinem Hund das "Sitz!"-Kommando, doch er hört mal wieder nicht zu. Oder er guckt dir sogar herausfordernd in die Augen: "Echt jetzt? Hier? Jetzt? Nöööö, lass mal! Frag mich nachher noch einmal. Jetzt habe ich keine Lust."

Brichst du jetzt entnervt ab, sagst du damit deinem Hund nichts anderes als "Okay, wenn ich etwas von dir will - und ich meine nicht nur 'Sitz!', sondern auch alles andere (Wie gesagt: Hunde kennen keine Ausnahmen) - dann kannst du es machen ... oder auch nicht. Das ist mir völlig egal. Suche dir dann einfach aus, was dir besser gefällt."

Du möchtest, dass dein Hund genau jetzt "Sitz!" macht? Dann verlange die nötige Disziplin dafür und setze das Kommando auch durch. Und wenn es dir egal ist, ob er sich jetzt gerade hinsetzt oder nicht, dann verzichte komplett auf das Kommando! Überlege dir also jedes Mal, ob das Kommando jetzt wirklich erforderlich ist, und ob du jetzt auch wirklich bereit bist, die nötige Energie bis zur Ausführung des Kommandos hineinzustecken. Und dann sei konsequent: Ja oder Nein. Kommando oder kein Kommando. Aber nichts Halbes!

Warum ist das so wichtig? Ganz einfach: Wenn dein Hund lernt, dass er gar nicht erst mit dir diskutieren braucht, weil du, wenn du etwas anordnest, auch bis zur Umsetzung darauf bestehst, dass es gemacht wird, dann ... naja, dann wird er immer seltener versuchen, mit dir zu diskutieren und immer freiwilliger und schneller das Kommando befolgen. Und das wiederum macht euer Zusammenleben sehr viel entspannter.

Und was ist mit Zuneigung und Liebe? Bringen die keinen Respekt?

Naja, damit KAUFT man sich vielleicht auch ein bisschen "zurückgegebene" Zuneigung. Doch nein: Respekt bekommt man damit nicht. Es wird zwar schwerer, Respekt zu erwerben, wenn man auf Zuneigung verzichtet. Doch es geht auch völlig ohne, solange es nicht ins Gegenteil umschlägt.

Warum? Ganz einfach: Aus der Sicht deines Hundes ist es die größte Zuneigung und Liebe, die du ihm geben kannst, wenn du ihn sicher und klar durch die Welt führst. Wenn er die Zeit hat, sich um das Fangen von Insekten zu kümmern, während du dafür sorgst, dass er jederzeit sicher und satt ist. Er kann problemlos auf Streicheleinheiten, Küsschen und "Schlafen im Bett neben Frauchen" verzichten. Fehlende Klarheit und ein inkonsequenter, ungeduldiger oder disziplinloser "Rudelführer" machen ihn jedoch wahnsinnig. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Und wie lange muss ich jetzt geduldig und konsequent sein, und diszipliniert Disziplin von meinem Hund verlangen?

"So lange, wie du möchtest, dass dein Hund dich respektiert!", lautet die Antwort auf diese Frage. Jeden Tag. Jede Stunde. Vom Wachwerden bis zum Schlafengehen. Solange dein Hund bei dir lebt.

Respekt muss jeden Tag erworben werden!

Das ist der große Haken am erworbenen Respekt: Man muss sich jeden einzelnen Tag, jede Stunde, jede Minute darum bemühen, ihn auch wirklich verdient zu haben. Nie kann man sich ausruhen, denn jeder Patzer kratzt an unserem Image, das wir aufbauen. Sicher, nur in absolut extremen und seltenen Ausnahmefällen wird ein Fehler gleich dazu führen, dass der Hund sein Vertrauen in uns komplett verliert. Aber wie heißt es so treffend? "Steter Tropfen höhlt den Stein." Summieren sich gar zu viele Fehler und Nachlässigkeiten, wird es immer schwieriger, den mühsam erworbenen Respekt unseres Hundes dauerhaft zu behalten.

Die frohe Botschaft: Es wird jeden Tag einfacher!

Nachdem dich diese Informationen sicherlich ordentlich deprimiert haben werden, weil es jetzt ja dann doch irgendwie ziemlich anstrengend klingt, kommt nun die frohe Botschaft zum Abschluss: Es wird mit jedem durchgezogenen Tag einfacher! Im Grunde ist es wie mit dem Entzug vom Rauchen oder vom Alkohol oder von Schokolade: Die ersten Wochen sind die schlimmsten. Doch mit der Zeit wird es immer leichter, damit klarzukommen; auch, wenn die Gefahr eines Fehltritts nie ganz weg ist. Man gewöhnt sich eben daran.

Und das Schönste am erworbenen Respekt: Es ist ehrlicher, aufrichtiger Respekt. Je mehr ehrlichen Respekt dein Hund hat, desto eher verzeiht er dir auch mal einen Ausrutscher und eine Abweichung von deinen Bemühungen hier und da.

Außerdem brauchst du immer weniger Kraft, es umzusetzen. Erstens, weil du dich daran gewöhnst und es automatisierst; ja, gar nicht mehr darüber nachdenkst, sondern es einfach machst. Und zweitens, weil auch dein Hund sich daran gewöhnt, dass Diskussionen mit dir sinnlos geworden sind. Auch er automatisiert sein Verhalten immer mehr. Auch er macht immer weniger "falsch", so dass du immer weniger und weniger und weniger korrigieren musst.

Warum ist das so wichtig?

Ganz egal, wie sehr wir unseren Hund vielleicht lieben und vermenschlichen wollen: Er ist und bleibt ein Tier. Und als solches wird er von Instinkten angetrieben. Auch, was das soziale Zusammenleben im "Rudel" betrifft.

Und diese Instinkte sagen ihm unter anderem, dass er von allen Rudel-Mitgliedern (also auch von uns) BERECHENBARKEIT erwarten können muss. Er muss wissen, woran er ist, wenn er mit uns interagiert. Unerwwartete Aktionen von uns verwirren und verängstigen ihn nur. Denn sein Instinkt sagt ihm, dass Rudel-Mitglieder, die sich unberechenbar verhalten eine GEFAHR FÜR DAS RUDEL sind.

Wenn wir uns jedoch an diese einfache Faustregel ("Sei immer geduldig! Sei immer konsequent! Verlange meistens Disziplin! Gib hin und wieder ein bisschen Zuneigung!") halten, sind wir schon verdammt dicht an dem, von dem die Instinkte unseres Hundes ihm sagen:

Alles im grünen Bereich!
Du bist geschützt. Du bist sicher.
Dein Rudel weiß, was es tut.
Weitermachen!

Damit - und tatsächlich erst damit - haben wir die Grundlage geschaffen, um uns den ehrlichen Respekt unseres Hundes dauerhaft zu erwerben...