Erziehungsmethode: Positive Bestärkung

Die Erziehungsmethode der positiven Bestärkung ist eine der neuesten Methoden, einen Hund zu erziehen. Und wie das bei der Erziehung so ist: Es gibt die glühenden Fürsprecher --- und es gibt verbitterte Gegner. Die Leute dazwischen sind seltener als die Nadeln im Heuhaufen, glaubt man manchmal. Denn jeder, wirklich jeder, ist davon überzeugt: "Meine Methode ist die einzig Wahre. Nur sie führt zum Licht!"

Was ist das für eine Methode?

Die Methode der positiven Bestärkung setzt ausschließlich(!) auf die beiden folgenden Verhaltensweisen in der Erziehung:

  1. Bestärke/Belohne erwünschtes Verhalten des Hundes!
  2. Ignoriere unerwünschtes Verhalten des Hundes!

Wenn dein Hund also etwas so macht, wie du es dir wünschst, dann sollst du ihn belohnen (Leckerlie, Lob, Streicheleinheiten, etc.). Und wenn er etwas falsch macht, sollst du ihn NICHT korrigieren, sondern sein Verhalten so lange ignorieren, bis er es wieder richtig macht.

Damit ist es eine angeblich absolut gewaltfreie Erziehungs-Methode, behaupten die Gläubigen dieser Kirche.

Pro & Contra - kurz gefasst

Die Gegner behaupten, damit erkaufe man sich bestimmtes Verhalten vom Hund. Man besteche ihn. Das sei zwar eine Methode, um relativ schnell kleine und unbedeutende Erfolge zu erzielen, doch seien diese nicht besonders nachhaltig. Zudem entsteht beim Hund eine große Erwartungshaltung für Lob, was die Frustrationsgrenze senke und den Hund bei schwierigeren Aufgaben, die er - so alleingelassen, wie er bei dieser Methode ist - nicht so einfach lösen kann, schnell und gewaltig überfordern könne.

Die Fürsprecher behaupten hingegen, das genaue Gegenteil sei der Fall: Zwar sei es richtig, dass diese Methode für stabile Verhaltenserziehung länger brauche; doch seien die Ergebnisse dafür nachhaltiger, weil der Hund sich dieses Verhalten im Wesentlichen selbst erarbeiten müsse.

Die eher praktisch Veranlagten behaupten schließlich: Diese Methode sei nicht schlecht; doch wer immer nur einen Hammer benutze, für den müsse alles auf dieser Welt ein Nagel sein. Diese Methode habe Vorteile, die man nutzen könne; und Nachteile, die man durch andere Methoden, etwa die bewusste Korrektur von falschem Verhalten als Lenkung zum richtigen Verhalten ausgleichen könne.

Wo ist diese Methode besonders gut geeignet?

Wer in die Situation kommt, besonders schwere oder durch lange anhaltendes Fehlverhalten tief sitzende Verhaltensstörungen und Fehlentwicklungen korrigieren zu müssen, wird diese Methode sehr zu schätzen lernen. Dort entfaltet sie sich besonders gut, denn der Hund lernt auf diese Weise, dass es lohnende andere Wege neben dem oft frustrierenden und stressenden bisherigen Verhalten gibt; schließlich wird er für richtigeres Verhalten belohnt, ohne bei den unweigerlichen Rückfällen korrigiert und frustriert zu werden.

Damit verstärkt diese Methode das Vertrauen, ohne dabei das Risiko von Vertrauensrückschlägen - etwa durch schlecht oder unpassend angewendete Korrekturen - einzugehen. Sie minimiert also die potenziellen Fehlerquellen beim Menschen drastisch.

  • Gut geeignet, um zerstörtes Vertrauen aufzubauen
  • Gut geeignet in der Anfangsphase des Umlernens bei schweren Verhaltensstörungen
  • Gut geeignet bei sensiblen Arbeitsrassen
  • Gut geeignet bei besonders intelligenten Hunden
  • Gut geeignet als Ergänzung anderer Methoden
  • Besonders gut geeignet beim Erlernen von Tricks & Kunststücken

Wo ist diese Methode nicht so gut geeignet?

Da der Hund das richtige Verhalten weitgehend selbst herausfinden muss, dauert es im Regelfall sehr viel länger als bei anderen Methoden, um stabile Ergebnisse und Erfolge zu erreichen. Zudem ist diese Methode für den Hund sehr energieaufwändig, weil er im Grunde nur durch Versuch-und-Irrtum zum gewünschten Ergebnis gelangen kann.

Das wiederum kann zu Frustrationen und Stress beim Hund führen; obwohl selbiges mit dieser Methode eigentlich abgebaut werden soll. Das Problem hierbei ist weniger der Frust und der Stress beim Hund, als vielmehr die inhärent fehlende Wahrnehmung derselben durch den betreuenden Menschen, weil diese es wegen der Methoden-Versprechen, Frust und Stress zu reduzieren, nicht erwarten.

Und schließlich ist das Feedback des Hundes in Bezug auf die tatsächlichen Lernfortschritte bei der Erziehung inkohärent. Die Frage: "Hat er es jetzt wirklich als Verhaltensmuster in Bezug auf eine Situation gelernt? Oder ist es aus seiner Sicht nur ein Trick, den er auf Abruf vorführt, um belohnt zu werden?" lässt sich oft nicht sicher beantworten.

=> Daraus folgt: Leute, die nicht wirklich sicher in Bezug auf die Erziehung von Hunden und deren Verhaltens-Feedback sind, können leichter frustriert werden, als wenn sie sich eher anderen Methoden zuwenden.

Auch unsichere, sture oder sozial weniger gefestigte Hunde können häufiger und größere Rückschläge erleben. Insbesondere, wenn die Aufgaben für den Hund nicht zweifelsfrei eindeutig sind, führt es oft zu viel Versuch-und-Irrtum, was bei der Anwendung der Methode sowohl im zeitlichen als auch im Intensitäts-Rahmen berücksichtigt werden muss.

  • Widerspricht den natürlichen Instinkten der Hunde
  • Erfordert viel Geduld
  • Kann zu "Bestechungs-Problemen" führen: Hund akzeptiert Autorität (vorübergehend) nur durch Bestechung/Leckerlie/Lob
  • Langsame bis sehr langsame Lernerfolge und Fortschritte
  • Häufige kleine und große Rückschläge sind normal
  • Kann beim Hund Frustration erzeugen, wenn Lernwege nicht eindeutig erkennbar sind

Noch ein paar Worte zur Natur und natürlichem Verhalten

Wer Wert auf hunde-gerecht legt, der sollte auch Hunde als Vorbild nehmen. Auch ganz ohne Menschen bilden Hunde natürlicherweise Rudel, wie schon ihre Vorfahren, die Wölfe. Doch bei keinem dieser natürlichen Rudel gibt es auch nur den Hauch einer positiven Bestärkung, also des Lobes für "gute" Taten und der Ignoranz "schlechter" Handlungen. Trotz Jahrhunderttausenden und Jahrmillionen der Evolution.

Es ist also eine rein menschliche Erziehungsmethode, die nach rein menschlichen Maßstäben justiert ist.