Brauche ich einen Hunde-Trainer?

Hunde-Trainer sind in den letzten 20 Jahren wie Pilze nach einem lauen Spätsommer-Regen aus dem Boden geschossen. Ja, mittlerweile gibt es ganze Industrien, die sich rund um die Hobby-Hundehaltung entwickelt haben und davon ziemlich gut leben: Hunde-Friseure, Hunde-Schneider, Hunde-Sitter, Hunde-Physiotherapeuten, Hunde-Psychologen, ... und, natürlich, Hunde-Trainer. Sie alle wollen einen guten Teil der vielen Milliarden, die Hundehalter allein in Deutschland für die Versorgung ihrer Lieblinge ausgeben. Da stellt sich doch die berechtigte Frage:

Wenn mein Auto kaputt ist,
gebe ich es zum Profi in die Werkstatt.
Meinen Hund auch?

"Brauche ich einen Hunde-Trainer, wenn mein Hund kaputt gegangen ist?" ... Dieser Frage widmen wir uns hier ein bisschen genauer.

Ist mein Hund sowas wie ein Toaster?

Nähern wir uns der eingangs gestellten Frage mal scheinbar provokativ: "Ist mein Hund ein Spielzeug? Oder ein Gebrauchsgegenstand?" Natürlich muss (und will) ich gar nicht wissen, wie mein angeblich vollelektronischer Toaster genau funktioniert. Ich will oben mein labberiges Weizenbrot reinstecken und nach ein paar Sekunden einen knusprigen Toast haben. Was in der Zwischenzeit passiert und wie der Toaster das macht, ist wir sowas von egal. Geht das Teil kaputt, werfe ich es auf den Elektroschrott und kaufe einen neuen Toaster. Oder ich lasse ihn vom Fachmann reparieren. Gleiches gilt für all die anderen Dinge in meinem Leben: Von der Waschmaschine bis zum Auto --- geht's kaputt, rufe ich einen, der sich damit auskennt, einen Fachmann.

Warum sollte ich das beim Hund anders halten?

Ein Fachmann löst Probleme!

Natürlich kann ein Fachmann Probleme schnell und effizient lösen. Dafür ist er ja Fachmann. Also ist es doch nur logisch, dass ich einen Fachmann rufe, wenn ich Probleme mit dem Hund habe ... Oder?!

Mein Hund hat es bei mir besser als meine eigenen Kinder!

Ungehorsam, Renitenz, Unbelehrbarkeit, aufmüpfiges Verhalten, selektives Hörvermögen, nervig um Aufmerksamkeit heischend, ... wer Kinder, womöglich im pubertären Alter, hat, der kann ein Lied davon singen. Und auch hier gilt selbstverständlich: "Sobald ich Probleme mit meinen Kindern habe, hole ich einen Fachmann ins Haus. Da zucke ich gar nicht. Das sind mir meine Kinder einfach wert."

"Halt! Das ist unwahr! Nicht wahr?!" --- Bevor ich jemals einen "Kinder-Trainer" in meine Wohnung lasse, muss schon ordentlich was zu Bruch gegangen sein. Und selbst dann würde ich zögern und sagen "Das bekomme ich selbst hin! Wäre doch gelacht!" Mein Hund ist mir aber den "Profi" wert. Denn er ist mir mehr wert als meine Kinder!, oder was ist die Begründung?

Hunde-Trainer vs. Kinder-Erzieher

Kinder-Erzieher ist seit alters her ein Lehrberuf bzw. sogar ein Studium. Hunde-Trainer wurde man viele Jahrzehnte lang, indem man sagte, man sei Hunde-Trainer. Punkt. Niemand fragte nach Ausbildung und anderen störenden Fakten. Es reichte, sich dafür auszugeben. Mittlerweile ist es so eine Art "Quasi-Lehrberuf". Man sollte zumindest ein paar Bücher gelesen, den einen oder anderen Kurs besucht und ein paar Fragebögen beantwortet haben, um sich Hunde-Trainer nennen zu dürfen.

Wäre es also nicht viel logischer, bei Problemen mit den eigenen Kindern einen Profi zu rufen? Ganz besonders, wenn man bei Problemen mit dem eigenen Hund so schnell mit dem Gedanken an einen Hunde-Trainer warm werden kann?

Die bittere Wahrheit ist doch: "Ich habe keinen Bock auf Hunde-Erziehung!"

Es ist leicht zu erkennen, dass wir zwischen Hunden und Kindern trennen. Doch nicht, weil wir unsere Kinder schlechter stellen als unseren Hund, sondern aus einem ganz anderen - maßlos perfiden - Grund:

Mein Hund - den ich übrigens, wie jedes andere meiner Spielzeuge, für viel Geld gekauft habe - muss die zugesagten Eigenschaften des erworbenen Produkts erfüllen. Tut er das nicht, ist er "kaputt". Und wenn er kaputt ist, muss er vom Fachmann repariert werden.

Genauso wenig, wie mich viele Hundert Seiten dicke Gebrauchsanleitungen für meine anderen Spielzeuge interessieren, genauso wenig interessiert mich die Gebrauchsanleitung für meinen Hund.

Ich habe das Teil, wie alles, was ich kaufe, nach Farbe und Form ausgewählt. Die Töle muss zu meinen Klamotten und meinen Möbeln passen! Es ist MEIN SPIELZEUG! Basta! Ich habe ihn gekauft, "weil er so niedlich aussah", "weil sein Fell mit den drei Farben so toll glänzte", "weil der Merle-Effekt (eine Genkrankheit) ihn so hübsch machte" oder "weil er als Welpe so niedliche Kulleraugen hatte"!

Was interessiert mich so ein Blödsinn, wie Charakter, Zuchteigenschaften der Rasse oder gar irgendwelche angeblichen natürlichen Bedürfnisse eines Tieres?

Und genauso wenig, wie mich viele Hundert Seiten dicke Gebrauchsanleitungen für meine anderen Spielzeuge interessieren, genauso wenig interessiert mich die Gebrauchsanleitung für meinen Hund. Ist er kaputt, muss er repariert werden! Und reparieren kann am besten ein Profi - oder einer, der behauptet, einer zu sein. So einfach ist das.

... denn was macht ein Hunde-Trainer?

Ein Hunde-Trainer nimmt mir die Mühsal, mich selbst mit den Bedürfnissen meines Hundes auseinandersetzen zu müssen, nahezu komplett ab. Klar, ich weiß allein: Das Vieh braucht Wasser und Futter, damit es funktioniert. Und es muss ab und zu kacken und pissen, was es tunlichst nicht in der Wohnung machen soll. Doch darüber hinaus?

Habe ich also Probleme mit meinem Hund, dann rufe ich den Hunde-Trainer. Der repariert meinen Hund ... und ... ja, genau!, ... ER LIEST MIR EINIGE SEITEN AUS DER GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR HUNDE VOR. In der Hoffnung, dass ich wenigstens ein bisschen davon behalte und zukünftig beachte. Er löst also nicht die Probleme meines Hundes, sondern er stopft einen Teil der Lücken, den meine eigene Faulheit verursacht hat.

Meist bleibt er dann ein paar Stunden (oder kommt einige Tage zu mir), während er mir erklärt, was das eigentliche Problem ist und wie die Lösung dafür aussieht. Jedenfalls sollte man das hoffen. Und dann verschwindet er zum nächsten Kunden, dem er für frei verfügbares Allgemeinwissen Geld aus der Tasche zieht. Warum? Ganz einfach: Weil es Leute geben soll, die keinen Bock haben, sich dieses frei verfügbare Allgemeinwissen selbst anzueignen. Also verkauft er es ihnen.

Und was ist die Folge?

Nun kennen wir einige Seiten der Gebrauchsanweisung für den Hund. Dankenswerterweise für ein paar Euro vom Hunde-Trainer vorgelesen. Doch wie geht's weiter? Wir haben noch nicht einmal sowas wie Halb-Wissen erlangt. Und unser Hund, das haben wir mittlerweile erkannt (oder der Hunde-Trainer hat's uns verraten), ist ein komplexes Lebewesen mit komplexen Ansprüchen und Vorstellungen von der Welt.

Die nächsten Probleme sind also vorprogrammiert. So sicher, wie das "Amen!" in der Kirche. Denn natürlich hat die Gebrauchsanleitung für den Hund noch viel mehr Seiten. Und sie kennt noch viel mehr Probleme. Aber der Hunde-Trainer ist dann wieder weit weg. Und wir rufen ihn natürlich erst, wenn wir - selbstverständlich wieder, ohne die Gebrauchsanleitung endlich lesen zu wollen - mit unserem Nicht-Wissen nicht weiterkommen und man uns im Forum erneut rät:

"Bloß nicht selbst machen!
Das Vieh ist es nicht wert, sich tiefer damit zu beschäftigen!
Ruf einen Hunde-Trainer!"

Moooooment! Das hieße ja, ... ich könnte ganz alleine ... Ja, ist das denn erlaubt?

Folgt man vielen Foren und angeblichen Hunde-Versteher-Plattformen im Internet: "Nein! Das ist strikt verboten!" Stattdessen gilt: Wenn du Probleme mit deinem Hund hast, dann rufe einen Hunde-Trainer!

Da der Hunde-Trainer aber nicht rund um die Uhr bei dir wohnt; und da er sich im Regelfall auch nicht um jedes noch so kleine Erziehungsproblem kümmern kann und will, ist die logische Folge: Die nächsten Probleme klopfen schon an die Tür, noch bevor der Trainer das Haus verlassen hat. Er sollte also am besten gleich bei dir einziehen.

Und wenn der Hunde-Trainer faktisch bei dir einziehen müsste ... nun ja, ... DU WOHNST DOCH SCHON DA. Du müsstest nur den Job übernehmen.

Wer hindert dich denn?

Niemand kann oder wird dich daran hindern, die (potenziellen) Probleme mit deinem Hund so erfolgreich zu bekämpfen, dass sie gar nicht erst auftreten. Und wenn doch, dann hast du alle Mittel selbst in der Hand, die Probleme zu lösen, bevor sie uferlos werden.

Alles, was du tun musst, ist: WOLLEN. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und ja, das bedeutet vor allem, dass du dich vom Gedanken, dein Hund sei ein Spielzeug, das man im Notfall jederzeit reparieren kann, endgültig verabschieden musst. Stattdessen musst du dich der Mühsal hingeben, von deinem Hund lernen zu wollen; deinem Hund zugestehen, dass er ein Hund sein will und immer ein Hund bleiben wird, ganz egal, wie sehr du ihn vermenschlichst.

Also soll ich immer alles allein machen? Ich brauche gar keinen Profi?

Die Antwort könnte von Radio Eriwan stammen, denn sie ist korrekt, aber komplexer als sie aussieht: "Im Prinzip: Ja!"

Je mehr du über deinen Hund weißt, je mehr du seine Interessen, seinen Charakter, seine rassespezifischen Zuchteigenschaften und generell sein Wesen als Hund-Wolf-Tier kennst, desto mehr kannst du dafür sorgen, dass Probleme gar nicht auftreten oder schon in ihren Anfängen behoben werden.

Wenn es allerdings um Probleme geht, die schon lange festgefahren und womöglich wirklich gefährlich sein könnten (etwa beißende Hunde plus Kinder), dann solltest du UNBEDINGT einen Profi zu Rate ziehen. Doch nicht, um den Hund zu reparieren; sondern um dir von ihm Rat und Beistand zu holen, während du lernst, auch dieses Problem zu lösen ... und vor allem: zukünftig zu vermeiden.

Deinem Hund zuliebe!