Begegnungen mit fremden Hunden

In diesem Abschnitt schauen wir uns an, wie wir Begegnungen unseres Hundes mit fremden Hunden in unserer Anwesenheit "hunde-gerecht" planen, organisieren und durchführen. Und auch hier gibt es eine einfache Faustregel, die wir uns merken sollten:

Begegnungen mit fremden Hunden sind für unseren Hund IMMER EXTREMER STRESS. Je weniger Ahnung unser Hund von artgerechtem sozialen Umgang hat, desto stressiger - und gefährlicher - wird es für ihn.

Das gilt ganz besonders, solange unser Hund an der Leine ist. Deshalb ist es grundsätzlich IMMER DAS BESTE, wenn wir Begegnungen mit fremden Hunden VERMEIDEN. Immer? Naja, so gut es eben geht.

Hunde an der Leine

Warum Stress? Freut mein Hund sich nicht, wenn er anderen Hunden begegnet?

Und - * zack!* - schon sind wir in der Vermenschlichungs-Falle gelandet! Na klar wedelt mein Hund mit dem Schwanz. Na klar reckt er den Hals nach dem anderen Hund. All das sind doch "typisch menschliche Anzeichen", dass der Hund es gar nicht erwarten kann, dem anderen Hund zu begegnen. ... oder?!

Schwanzwedeln ist immer ein Ausdruck von "freudiger Erwartung", oder?!

Wir haben es immer und immer wieder thematisiert: Hunde sind Meister der Körpersprache. Sie haben ja auch keine andere Sprache. Doch Hunde besitzen nicht viele Möglichkeiten, differenzierter Körpersprache. Sie beherrschen keine Gesten im menschlichen Sinne. Sie können nicht einmal das Gesicht allzu unterschiedlich verziehen. Von Zeichensprache mit den Pfoten ganz zu schweigen.

Hunden bleibt nur, sich mit Körperhaltung, Schwanz und - sehr begrenzt - dem Gesichtsausdruck zu verständigen. Deshalb setzen sie diese Optionen auch IMMER ZUSAMMEN ein. Und deshalb ist es für uns so ultimativ wichtig, dass wir IMMER ALLE Körpersignale unseres Hundes im Zusammenhang beachten.

Ein "Schwanzwedeln" allein kann dabei sowohl Freude, als auch - positive wie negative - Anspannung, Besorgnis, ja, sogar Zorn zum Ausdruck bringen. Sogar richtig wütende Hunde wedeln mit dem Schwanz; während sie schon überlegen, in welches Körperteil sie dir zuerst beißen werden. Erst die Gesamtheit ALLER körpersprachlichen Signale bestimmt, was der Hund eigentlich gerade fühlt und "denkt"...

Begegnungen werden von Instinkten gesteuert

Trotz Jahrhunderten des Zusammenlebens mit dem Menschen sind Hunde bis heute INSTINKT-gesteuert. Wann immer eine neue Situation eintritt, ist auch sofort der passende Instinkt dazu da. Erst viel später stellt sich das "erlernte Verhalten" dazu ein.

Das ist wie beim Menschen: Du siehst eine große Spinne im Badezimmer. Und obwohl du weißt, dass sie dich weder fressen noch vergiften wird, sträuben sich dir die Nackenhaare und du zeigst Panik- und Fluchtreflexe. Erst nach einiger Zeit stellen sich die "erlernten Verhaltensmuster" ein: Du rufst nach einem starken Mann (oder jemand anderem, der weniger Angst vor der Spinne hat) und bittest um Schutz (also um das Entfernen der Spinne).

Traust du den "Schutz" jedoch niemandem in deinem nahen Umfeld zu, dann .... tja, ... dann musst du die Sache wohl oder übel allein bereinigen, nicht wahr?! Und das, ganz egal, ob du es nun gern machst oder nicht. GENAU DAS erlebt dein Hund ebenfalls. Bei JEDER Begegnung mit fremden Hunden.

Treffen mit Artgenossen Das MUSS gut sein ... oder?!

Grundsätzlich gilt für ALLE Rudel-Tiere IMMER: Gehört es nicht zum eigenen Rudel, ist es eine potenzielle Bedrohung! Dabei ist es egal, ob es Artgenossen, Bären oder Löwen sind. Denn die Natur ist brutal. Sie kennt für revierbezogene Raubtiere (und das sind unsere Hunde bis heute) nur: Es könnte ein Konkurrent um die Nahrungsressourcen und den Lebensraum sein. Und das wiederum bedeutet: Im Zweifel müssen wir (blutig) kämpfen. Ums Essen. Und ums (Über-)Leben.

Deshalb ist jede Begegnung mit Fremden etwas, das Hunde aus dem gewohnten Rhythmus zerrt, ... und das sie lieber vermeiden würden, wenn sie könnten und wenn wir sie ließen. Auch - und gerade - Begegnungen mit fremden Hunden.

Und deshalb wirst du auch erleben, dass dein Hund anderen Hunden stets erst einmal mit zurückhaltender Vorsicht, ja, unter Umständen sogar "aggressiver Angst" begegnet --- wenn er sie nicht gleich von Anfang an und schon vor der eigentlichen Begegnung "zerfleischen" will.

Begegnungen an der Leine: Mein Hund ist bei der Begegnung an der Leine

Wir haben es schon vielfach gesagt: Hunde sind Meister der Körpersprache. Sie verständigen sich untereinander fast ausschließlich über die Körpersprache.

Eine Leine bedeutet eine starke Behinderung der Körpersprache. Gerade so, als solltest du jemanden begrüßen, der genau auf jedes Wort und jeden Tonfall achtet und im Zweifel lieber aggressiv wird, bevor er allzu vertrauensselig die Vorsicht beiseite legt; du hättest aber eine Socke im Mund und deine Hände wären auf dem Rücken festgebunden.

Erhöhte Missverständnis-Gefahr! Ist dein (oder der fremde) Hund an der Leine, wird es fast immer zu "körpersprachlichen Missverständnissen" kommen. Das bedeutet: Erhöhte Gefahr einer (blutigen) Keilerei!

Das gilt sogar für Hunde, die sich eigentlich gut kennen. Daher solltest du es UNBEDINGT VERMEIDEN, dass dein Hund in diese Missverständnis-Falle geraten kann. Entweder werden BEIDE Hunde abgeleint; oder die Begegnung der Hunde wird vermieden! Punkt. Basta. Aus.

Wie kann ich eine Begegnung vermeiden?

Naja, grundsätzlich kannst du Begegnungen vermeiden, indem du einen Bogen um den anderen Hund schlägst. Im Zweifel durchs Unterholz oder auf dem anderen Bürgersteig. In einer Entfernung, in der dein Hund den fremden Hund möglichst noch gar nicht bemerkt hat oder gerade eben bemerkt. Je gechillter dein Hund beim Ausweichen vor dem fremden Hund ist, desto chilliger wird er dir folgen.

Aus der Sicht deines Hundes beweist du damit weder "Feigheit vor dem Feind", noch enthältst du ihm die ersehnte Begegnung mit einem Artgenossen vor. Vielmehr wird er das als weise und kluge Rudelführerschaft sehen. Denn du hast einen womöglich unangenehmen Zwischenfall komplett vermieden. Und schon nach wenigen Sekunden wird dein Hund wieder "Hund sein" können und genüsslich an Kothaufen schnüffeln oder Laternen anpinkeln. Denn DU hast dich als guter Rudelführer bewiesen.

Die Begegnung lässt sich nicht vermeiden. Was nun?!

Es gibt Situationen, da kann man die Begegnung aber trotzdem nicht vermeiden. Dann ist guter Rat teuer. Denn das Vernünftigste ist nun, die Begegnung so kurz wie möglich zu halten: Aneinander vorbeigehen, ohne einander zu beachten.

1. Du nimmst deinen Hund an die kurze Leine und auf deine vom fremden Hund abgewandte Seite.

2. Du gehst zügigen Schrittes am fremden Hund vorbei.

Dabei schaust du weder den fremden Hund noch deinen Hund an. Es wird NICHT GEREDET. Der Blick ist auf den Horizont gerichtet.

Je schneller du gehst, desto weniger Gelegenheit bekommt dein Hund sich aufzuregen. Im Zweifel könnt ihr also auch am fremden Hund "vorbei joggen".

Es ist aber der Hund eines Bekannten. Der gehört doch praktisch zum Rudel, oder?!

Nein. Selbst dann, wenn dein Hund den Hund des Bekannten fast jeden Tag trifft, sind die ersten Wochen(!) für ihn jedes einzelne Mal sehr, sehr stressig. Tatsächlich haben auch Hunde Launen. Wo man sich gestern noch freudig gegenseitig begrüßt und zum Spiel eingeladen hat, kann heute schon ein klitzekleines Missverständnis oder eine einfache "schlechte Laune" zu einer mehr oder weniger heftigen Auseinandersetzung führen. Entsprechendes gilt ganz besonders, wenn die beiden Hunde sich einige Wochen nicht gesehen haben.

In solchen Fällen hast du entweder Vertrauen zu deinem Hund und leinst ihn ab, so dass er den "bekannten Hund" ohne Beschränkung der Körpersprache auf seine eigene Art begrüßen kann; oder du hältst die Begegnung so kurz wie möglich. Es ist schließlich kein Problem, einen der beiden Hunde (oder beide) voneinander getrennt abzulegen bzw. anzuleinen. Für dich vielleicht. Für den Hund jedoch nicht.

Auch gut bekannte Hunde stört es nicht, wenn sie einander nicht "beschnüffeln" können. Sie haben nicht das Bedürfnis nach "Austausch, Klatsch & Tratsch mit anderen Hunden", die nicht zum eigenen Rudel gehören.

Deshalb ist es für alle beteiligten Hunde sehr viel besser, wenn man sie nicht zusammenzwingt; nur, weil man es selbst gern so haben möchte...

Auch der Hund deines guten Freundes ist keineswegs "ein guter Freund" deines Hundes.

Faustregel: Gehört der Hund nicht zur eigenen Familie, also zum eigenen Rudel; dann gilt grundsätzlich, dass dieser Hund eine potenzielle Bedrohung des eigenen Rudels darstellt. Ganz egal, wie freundlich er scheinen oder sogar sein mag.

Früh übt sich ...

In heutigen Zeiten leben Hunde oft in der Stadt. Das bedeutet, dass sie immer und immer wieder mit fremden Menschen und fremden Hunden konfrontiert werden.

Deshalb ist es wirklich wichtig, dass dein Hund schon in der Sozialisierungsphase seines Lebens ( 8.-12. Woche seines Lebens) möglichst vielfältige Eindrücke seines "normalen Lebensumfeldes" bekommt: Viele verschiedene fremde Menschen, Radfahrer, Jogger, Autos und natürlich auch viele verschiedene fremde Hunde. So lernt er am leichtesten, dass er nicht seinen Instinkten folgen und vor allem Fremden Zurückhaltung oder sogar Aggression zeigen sollte.

Außerdem gibt es in fast jeder Stadt Welpen-Schulen. Und wenn du es selbst in die Hand nehmen willst (und kannst): Steigere die Anforderungen an die Eindrücke deines jungen Hundes immer weiter, indem du deinen Hund den verschiedensten Eindrücken - ganz besonders aber fremden Menschen und fremden Hunden - aussetzt und ihm so zeigst, dass diese Fremden keine Bedrohung für dich, ihn oder euer gemeinsames Rudel darstellen.

Sozialisierungsphase verkorkst? Lernt dein Hund nicht frühzeitig, sich anderen Menschen und Hunden gegenüber "freundlich-zurückhaltend" zu verhalten, kann - und MUSS - er es immer noch lernen: Nur sehr, sehr viel langsamer, schwieriger und für euch alle stressiger.