Cesar Millan & Co

Sobald es um die Erziehung von Hunden geht, beginnt ein großer K(r)ampf: Jeder - wirklich JEDER - hat dazu eine eigene Meinung. Ganz egal, auf wie viel Erfahrung und/oder Wissen er (oder sie) dabei zurückgreifen kann.

Und hier spalten sich die Geister ganz besonders: »Cesar! Er hat Cesar (Millan) gesagt! Steinigt ihn!«, schallt es aus schnell größer werdenden Gruppen zumeist bevorzugt vollkommen anti-autoritärer Erziehungs-Freunde.

Dabei merkt man schnell: Hier geht es um Religion; nicht um Vernunft! Und deshalb sind Diskussionen mit diesen religiösen Fanatikern zumeist auch völlig vertane Zeit. Es geht ihnen gar nicht um Fakten; sie vertreten eine Religion.

Trotzdem - oder vielleicht auch gerade deswegen - sollten wir einen Blick darauf werfen: Worum geht's?! Was wird da vorgeworfen?

Worum geht's da eigentlich?

Wer ein bisschen auf Youtube nach "Hunde-Erziehung" stöbert, der wird sehr schnell auch über den in den USA sehr beliebten und bekannten Verhaltens-Experten Cesar Milan stolpern.

Und wer sich seine Videos anschaut, der wird ebenso schnell feststellen: Der Mann ist stets fix dabei. Binnen 30 Minuten erkennt, erklärt und beseitigt er "Hunde-Probleme" aller Art. Wirklich ALLER Art. Selbst jene, an denen sogar erfahrene Hunde-Trainer meist scheitern.

Selbst wenn man annimmt, dass die Videos konsumier-freundlich auf 30 Minuten zusammengeschnitten sind: Er macht keinen Hehl daraus, ja, täuscht es geradezu immer wieder vor ... INNERHALB EINES EINZIGEN TAGES löst der Mann jegliche "Hunde-Probleme". Innerhalb eines einzigen Tages macht er selbst aus der wildesten Bestie ein zahmes Schoßhündchen.

Doch das kann nicht sein! Das geht gar nicht. Und jeder, der schon mal einen Hund betreut oder gar zu trainieren versucht hat, der weiß das auch: Es geht nicht.

Die "logische" Schlussfolgerung: Der Mann arbeitet mit Gewalt! Und das lehnen wir strikt ab! Punkt! Basta! Aus die Maus! Kein weiteres Wort mehr!

Benutzen wir mal unseren Kopf: Was steckt wirklich dahinter?

Lehnen wir uns mal kurz zurück und denken darüber nach:

  1. Es ist eine Fernseh-Sendung; eine Serie
  2. Sie richtet sich an Hunde-Halter; nicht an Hunde-Trainer
  3. Sie wird für den amerikanischen Markt produziert
  4. Erfolge sind positive Werbung; Misserfolge will niemand sehen

Schauen wir uns diese vier Punkte einmal jenseits der "Erziehungs-Religionen" an. Betrachten wir nachfolgend also nur nur die harten Fakten.

Fakt 1: Es ist eine Ferseh-Sendung; eine Serie

Es handelt sich um eine Fernseh-Serie, nicht um eine Lehrvideo-Reihe. Und als ob das noch nicht genug wäre: Es ist eine Serie für die "Generation Twitter". Also für jene Leute, die schon nach 160 Zeichen ermüdet und aufmerksamkeits-gestört sind.

Ja, selbst die meisten "Hunde-ExpertInnen" würden sich wohl kaum ein stundenlanges "Echtzeit-Video" voller Versuche, Rückschläge, Wiederholungen, Fehlschläge und neuer Ansatzversuche anschauen. Sie alle wollen wissen, wie es geht; nicht, was man aus den möglichen Fehlern anderer lernen könnte.

Natürlich wird da alles rausgeschnitten, was nicht in die verfügbaren 30-45 Minuten passt.

Fakt 2: Sie richtet sich an Hunde-Halter; nicht an Hunde-Trainer oder ambitionierte Hunde-Erzieher

Diese Sendungen - wie auch die Bücher von Cesar Milan - sind vor allem auf Hunde-HALTER ausgerichtet. Das - und NUR DAS - ist das Zielpublikum dieses Mannes. An diese Leute verkauft er seine Leistungen, seine Bücher, seine Videos und was-weiß-ich-noch-alles.

Und diese Hunde-Halter sind in aller Regel ziemlich verzweifelt, wenn sie sich besinnen und einen Hunde-Profi engagieren oder tatsächlich mal ein Buch zum Thema gründlich und verstehend lesen wollen. Meist haben sie dann schon selbst "alles gegeben & alles versucht". Meist sind sie dann selbst bereits völlig verzweifelt.

Doch was sie dann zuallererst brauchen, ist Motivation. Sie brauchen den Mut weiterzumachen. Sie brauchen den Optimismus noch einmal von vorn, dieses Mal aber besser, zu beginnen. Für sich selbst. Aber um des Hundes willen...

Die Hunde-Halter sollen ihren Mut, die Erziehung des Hundes nicht aufzugeben, wiederbekommen. DAS ist der Haupt-Zweck all der Bücher und Videos.

Denn ein guter Hunde-Profi wird NIEMALS einen Hund aufgeben. Doch viele Hunde-Halter betrachten ihre Hunde eher wie Luxus-Spielzeuge: Man benutzt sie. Und wenn sie nicht mehr erwartungsgemäß funktionieren, werden sie (vielleicht) repariert. Doch wenn die Reparatur zu teuer oder zu aufwändig ist, dann werden die Hunde gern auch mal weggeworfen. In Mülltonnen. Auf Raststätten. Im Wald. Am Zaun in einem anderen Stadtteil. Oder - wohl noch am gnädigsten - am Zaun der nächsten Tierschutz-Organisation.

Fakt 3: Sie wird für den amerikanischen Markt produziert

Diese Sendungen - wie auch die Bücher von Cesar Milan - sind strikt auf den amerikanischen Markt ausgerichtet. Der ganze berufliche Erfolg, ja, der ganze Ruf von Cesar Milan basiert auf seiner Arbeit in den ... Oh, welch' Überraschung! ... USA.

Und dieser Markt ist in vielerlei Hinsicht sehr speziell.

In den USA betrachtet man Hunde noch sehr viel mehr als hier in Deutschland als Gegenstände, die man kauft und eben auch wieder wegwirft, wenn sie langweilig werden. Man kauft und verkauft sie wie Fahrräder. Man protzt mit ihnen wie mit einem Schmuckstück.

In den USA liebt man aggressive Hunde(-rassen), weil man sich selbst für aggressiv hält oder glaubt, sich und seine Habe aggressiv verteidigen zu müssen.

Kurz gesagt: Man liebt Pitbulls & Co. Man vergöttert deutsche Schäferhunde und Rottweiler. Einen Labrador, einen Retriever, einen Malteser oder einen Pinscher hält man sich bestenfalls als Spaß-Hund. Weil es witzig ist, gegen den Mainstream zu handeln. Oder weil man ihn perfekt in die Handtasche stecken kann, wenn man ins Restaurant gehen will. Also den Malteser oder Pekinesen; nicht so sehr den Retriever.

Doch genauso leicht, wie man sich Hunde anschafft, wird man sie auch wieder los. So gibt es beispielsweise in vielen Bundesstaaten strenge Gesetze zur Hunde-Haltung. Ein Hund, der einmal zubeißt, kann bereits zum Tode verurteilt werden. Ein Hund der zwei Mal zugebissen hat, IST praktisch schon tot.

Cesar Milan und seine Kollegen in den USA sind also praktisch zum Erfolg verdammt, wenn sie die Hunde retten wollen.

Deshalb ist es aus Sicht von Cesar Milan und seinen Kollegen in den USA allemal "erfolgreicher", wenn sie eben auch mit sehr rauen Methoden verhindern können, dass die Hunde euthanasiert (= totgespritzt oder erschossen) werden; weil der Halter so gründlich versagt hat...

Fakt 4: Erfolge sind positive Werbung

Und schließlich brauchen wir uns nichts vorzumachen: Natürlich benutzen Leute, wie Cesar Milan oder Martin Rütter, ihre Prominenz dazu, im Fernsehen Werbung für sich zu machen. JEDER würde das machen, wenn er die Chance dazu bekäme.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass solche Serien stets "positiv" wirken. Sie sollen WERBUNG sein. Sie sollen motivieren zu sagen: » Hey, das ist genau der Richtige, um meinen Hund geradezubiegen! Den buche ich jetzt! Klar ist er etwas teurer. Aber dafür ist er gut, verdammt gut; wie man an den Fernseh-Sendungen sehen kann.«

Was lernen wir daraus?

Und was ist die Lehre für uns? Was können wir aus solchen Sendungen mitnehmen? Lernen wir überhaupt irgendwas daraus oder davon?

Nun, wir sollten es als die Lehre nehmen, die da auch tatsächlich vermittelt wird:

Es wird funktionieren!
Strenge dich an!
Erziehe deinen Hund!
Gib nicht auf!

Das. Und NUR DAS. Weniger das » Wie soll ich es machen?« Denn das ist Religion. Oder eben mehr oder weniger gesunder Menschenverstand.

Dabei gilt natürlich auch: Wir leben hier in Deutschland. Und wenn wir nicht gerade einen Aggro-Pitbull oder einen bissigen Rottweiler halten, dann sind die Methoden von Cesar Milan oft nur auf abstrakter Ebene anwendbar. Das gilt auch - und insbesondere -, weil man uns in den 30 Minuten seiner Show nicht genauer hinschauen lässt und viele der kleinen aber wichtigen Details gar nicht zeigt.

Doch auch Cesar Milan wiederholt für seinen amerikanischen Markt eine absolute Grundregel für den Erfolg in der Hunde-Erziehung:

Sei immer konsequent & geduldig!
Verlange meistens Disziplin!
Gib ein bisschen Zuneigung!

Wenn du dich an diese einfache goldene Regel hältst, wirst du viele Probleme, mit denen sich zahlreiche Hunde-Halter herumplagen, gar nicht erst haben und weder einen Cesar Milan, noch einen Martin Rütter jemals brauchen...