Der sogenannte "Alpha-Wurf" (auch: "Alpha-Rolle")

In der Vergangenheit gab es viele Erziehungs-Methoden, die heute wissenschaftlich überholt und durch andere Methoden ersetzt worden sind. Dazu gehört beispielsweise der Rohrstock, mit dem man einst in der Schule ungehorsamen Kindern auf die Finger klopfte.

Eine dieser überholten Methoden ist der sogenannte "Alpha-Wurf". Nicht, weil es das nicht in der Natur gibt, und auch nicht, weil Hunde ihn nicht untereinander anwenden; sondern ganz einfach, weil wir Menschen ihn eigentlich nur falsch anwenden können. Und weil wir unsere Probleme nicht nur nicht lösen, sondern sogar noch vergrößern, wenn wir ihn falsch anwenden.

Es gibt für uns Laien KEINEN GUTEN GRUND, den Alpha-Wurf anzuwenden! Ein falsch ausgeführter Alpha-Wurf verschlimmert die Probleme nur. Das Risiko, ihn falsch zu machen, ist für uns Menschen nahe 100%. Hier gibt es - wie an praktisch allen anderen Enden der Erziehung - kein "ein bisschen richtig". Hier gibt es nur: Gelungen oder gescheitert?

In diesem Abschnitt schauen wir uns an, was der Alpha-Wurf ist, wozu er dient ... und was man dabei falsch machen kann.

Der Alpha-Wurf ist ein sehr extremes Mittel der Dominanz. Lies dazu auch den Abschnitt echte & unechte Dominanz --- Dein Hund durchschaut Schauspielerei!

Zusammenfassung für Eilige

In diesem Abschnitt ist mal wieder viel Holz. Weil es aber wirklich super-wichtig ist, fassen wir für die Eiligen das Wichtigste an dieser Stelle kurz zusammen:

Der Alpha-Wurf erkauft ihnen einige Minuten Respekt. Es ist für sie das aller-letzte Mittel, um eine ernsthafte Beißerei zu verhindern.

Sie versuchen, es zu verhindern. Ihr Ziel ist: Nie! Denn sie wissen: Jede gewalttätige Zurechtweisung bezahlt der Dominante mit Ansehensverlust; denn er scheitert mit dem echten Dominanz-Anspruch.

Der Alpha-Wurf ist ein aller-letztes Mittel und zeigt tiefe Risse im Dominanz-Anspruch an. Daher vermeiden Hunde es so lange es geht, ihren Ansehensverlust und ihren Kampf um mehr Ansehen so offensichtlich zur Schau zu stellen.

Hunde (und Menschen) hassen Unberechenbarkeit. Daher ist auch der Alpha-Wurf für sie ein Mittel, das erst angewendet wird, wenn beide wissen, dass die vorherigen Versuche der Zurechtweisung gescheitert sind.

Scheiterungs-Grund 1: "Weiß der 'freche Hund' überhaupt, dass er frech ist?" Wenn Hunde es untereinander regeln, wissen BEIDE Hunde, wo das aktuelle Verhalten des "frechen Hundes" hinführt. NIEMALS kommt der Alpha-Wurf für einen der beiden (meist ja wohl den zu Unterwerfenden) "überraschend". Das ist für Menschen schon insofern problematisch, als sie nie so genau wissen, ob ihre vorherigen Warnsignale überhaupt vom Hund verstanden wurden.

Scheiterungs-Grund 2: "Kann der Mensch es wirklich durchziehen?" Unterwirft sich der Hund nicht, bleibt dem dominanten Tier nur noch die ernsthafte Beißerei. Das heißt: Zähne, Blut, (ernsthafte) Verletzungen.

BEIẞ-GEFAHR! Das bedeutet für uns Menschen: Können wir das wirklich leisten? Also sind wir bereit, im Zweifel (schwere) Verletzungen in Kauf zu nehmen und zuzufügen, wenn der "freche Hund" sich nicht fügen will? Denn wenn wir es nicht sind, ... nun, ... dann verkacken wir es gründlich: Der Hund weiß fortan, dass er die Auseinandersetzungen im Zweifel gewinnen wird. Keine gute Ausgangsbasis für die weitere Erziehung, nicht wahr?!

Der Ausweg? Solange der Mensch es nicht "bis zum bitteren Ende" ausgetragen hat (also den Alpha-Wurf nicht anwendet), weiß der Hund nicht, ob er am Ende vielleicht doch den Kürzeren zieht und verliert. Daher lautet unsere beste Lösung: Wende den Alpha-Wurf niemals an! So hast du zumindest die Trumpf-Karte, dass der Hund das Ende nicht schon kennt.

Ja, es gibt zwei Gruppen von Menschen, die den Alpha-Wurf anwenden:

Dumme und ignorante Menschen, die glauben, sie lösen damit irgendein Problem in ihrer Beziehung zum Hund.

Absolute Hunde-Profis, die sehr genau wissen, dass ein Alpha-Wurf lediglich ein paar Minuten Zeit erkauft; und die genau dieses Zeitfenster brauchen (etwa bei sehr angst-aggressiven Hunden), um gefährliche Situationen ein bisschen zu deeskalieren.

Probleme entstehen nicht aus dem Nichts. Sie sind die Folge mehr oder weniger umfangreichen und zumeist lange anhaltendem Versagens in der Erziehung.

Wer seinem Hund "Disziplin beibringen" will, wird es auf dem harten Weg machen müssen: Probleme finden, Probleme beschreiben, Probleme lösen. Die gute Nachricht: Wer konsequent, geduldig und diszipliniert erzieht, der löst in relativ kurzer Zeit viele Probleme auf einmal.

Kann man so den Hund "auf Werkseinstellungen zurücksetzen"?

Der größte Fehler, den viele Leute im Zusammenhang mit dem Alpha-Wurf bzw. der Alpha-Rolle machen, ist, dass sie glauben, man könne damit

den Hund
auf Werkseinstellungen
zurücksetzen

Sie glauben also, dass sie die Probleme, die sie mit ihrem Hund haben, mal eben schnell lösen können, indem sie den Hund auf die Seite oder auf den Rücken legen und ihn so "resetten".

Das ist aber grundfalsch!

Mit einem PERFEKT getimten und ausgeführten Alpha-Wurf erkauft man sich NUR ETWAS ZEIT, um seine einene Stellung zu festigen. Der Hund akzeptiert den Alpha-Wurf, doch er ist damit nicht "geheilt". Er respektiert lediglich IN DEN NÄCHSTEN MINUTEN die Stellung des anderen. Kann dieser seine Stellung nicht festigen, war auch der Alpha-Wurf umsonst.

Mit einem auch nur ansatzweise falschen Alpha-Wurf bezahlt man hingegen mit noch größerem Misstrauen und noch mehr Respektlosigkeit des Hundes.

Ein Alpha-Wurf löst keine Probleme! Vielmehr ist es ein Mittel, um kurzzeitig (lies: einige Minuten) mehr Respekt vom Hund zu bekommen.

Ein perfekt gelungener Alpha-Wurf erkauft uns lediglich einige Minuten Zeit, die wir für die Festigung unserer Stellung nutzen müssen.

Einen auch nur im Ansatz misslungenen Alpha-Wurf bezahlen wir mit zusätzlichem Misstrauen des Hundes.

Bevor wir anfangen: Lass! Die! Finger! Davon!

Grundsätzlich raten wir dir wirklich mega-dringend:

Lass die Finger davon!

Es handelt sich um eine sehr extreme Erziehungsmethode, die man den Hunden abgeschaut hat. Doch der geringste Fehler dabei kann - und wird(!) - zu noch größeren Problemen führen, als du sie sowieso schon hast, wenn du über dieses Mittel der Erziehung gerade ernsthaft nachdenkst.

Selbst erfahrene Hunde-Trainer mit Jahrzehnten der Hunde-Erfahrung auf dem Buckel sind meist nicht imstande, diese Methode richtig anzuwenden. Um wie viel weniger also wir, die wir uns kaum mit Hunde-Psychologie und nur sehr oberflächlich mit dem Verhalten von Hunde-Rudeln auseinandersetzen?!

Lass die Finger davon! Die Chance, den Alpha-Wurf richtig zu machen, ist verschwindend gering. Es ist eine sehr extreme Erziehungsmethode. Wird er falsch ausgeführt, verstärkt er die Probleme, anstatt sie zu lösen.

Extreme Beißgefahr! Du begibst dich hier in die "rote Zone" des Hundes. Falsch ausgeführt, wird sich der Hund instinktiv mit seinen Zähnen gegen dich wehren müssen.

Was ist der "Alpha-Wurf"?

Hunde verwenden gelegentlich eine Art "Judo-Griff", wenn sie andere - und besonders freche - Hunde, die auf all die anderen Signale und Hinweise, die es vorher gab, nicht reagieren, disziplinieren wollen. Dabei rempeln sie den anderen Hund mit der Schulter an - bzw. deuten dieses Rempeln an - und werfen ihn so zu Boden.

Gleichzeitig - und das ist ENTSCHEIDEND - l ässt sich der so Angerempelte FREIWILLIG zu Boden fallen. Er wird also nicht wirklich "umgeworfen", sondern es ist mehr so ein: » Halb zog sie ihn, halb sank er hin.«

Dann stehen sie - drohend und fordernd aussehend - über dem umgeworfenen Hund und warten ab, bis dieser sich nicht mehr bewegt. Das ist sein Zeichen des Aufgebens. Und darauf warten sie.

Diesen "Judo-Griff" bezeichnet man als Alpha-Wurf bzw. als Alpha-Rolle. Es ist also auch für Hunde ein sehr mächtiges Mittel - sozusagen ein "Alpha-Griff" - den sie nur in sehr, sehr extremen Situationen benutzen, um vielleicht doch noch in letzter Sekunde eine Beißerei zu verhindern.

Tatsächlich ist es mehr ein selbständiges Hinlegen, als ein Umwerfen Im Regelfall legt sich der "freche Hund" selbst hin und wird nicht wirklich "umgeworfen" oder "zu Boden gerungen". Er reagiert also aktiv - und SELBSTÄNDIG - auf das Körpersignal: » Achtung! Allerletzte Chance! Ich mache jetzt bei dir den Alpha-Wurf. Ansonsten werde ich dich ernsthaft beißen!«

GEFAHR! Der "unterworfene" Hund spielt seine Rolle nicht freiwillig mit? Dann ist der "Alpha-Wurf" bereits gescheitert.

Beim "Alpha-Wurf" handelt es sich NICHT um ein Gewalt-Ritual. Vielmehr ist es eine Art "roter Karte"; also ein "Platzverweis" des Alpha-Werfers UND GLEICHZEITIG ein freiwilliges Anerkenntnis dieser Bestrafung durch den unterworfenen Hund.

Der "unterworfene" Hund MUSS dabei ZWINGEND seinen Teil des rituellen Schauspiels aktiv mitmachen. Er muss sich FREIWILLIG ablegen (auf die Seite oder auf den Rücken). Und er MUSS FREIWILLIG Beschwichtigungssignale an den "Alpha-Werfer" richten (Lecken der Schnauze, Kopf, Beine und Schwanz ablegen, etc.)

Macht er das nicht, ist der "Alpha-Wurf" schon in dieser Sekunde gescheitert. Dann bleibt dem "Alpha-Werfer" nur noch, sich - und zwar kräftig - mit den Zähnen einzusetzen ... oder als Verlierer das Feld zu verlassen.

EXTREME Beißgefahr! Scheitert der Alpha-Wurf, hat der "Alpha-Werfer" die Arschkarte. Dann gibt es eigentlich nur noch eine ERNSTHAFTE und willentlich verletzende Beißerei als Ausweg des Machtbeweises. Wer die Beißerei gewinnt, hat diese Runde des Machtkampfes gewonnen.

Wie läuft das Ritual des "Alpha-Wurfs" ab?

Hunde wissen, dass der Alpha-Wurf das wirklich allerletzte Mittel zur Vermeidung einer blutigen Beißerei ist. Daher wenden sie diesen Alpha-Wurf wirklich nur in sehr, sehr seltenen Extremfällen aktiv an.

Bevor sie das machen, senden sie dem Betreffenden zahlreiche Signale, dass er endlich aufhören und sich trollen oder sich freiwillig unterwerfen soll:

  • Typischerweise wird der Betroffene zunächst zahllose Male mit immer deutlicheren körpersprachlichen Signalen zur Ordnung gerufen.
  • Reagiert der Betroffene partout nicht angemessen auf die Körpersprache, wird er mit "Knurren" angesprochen.
  • Reagiert er auch darauf nicht angemessen, wird er mit gefletschten Zähnen gewarnt.
  • Reagiert er immer noch nicht angemessen, wird in die Luft geschnappt bzw. der Betroffene schon mal mit den Zähnen touchiert, ohne ihn jedoch zu verletzten
  • Reagiert er trotzdem immer noch nicht angemessen, wird kurz - und heftig - "zugezwickt"; also demonstriert, dass man Zähne hat und auch gewillt ist, sie einzusetzen.
  • Reagiert er jetzt immer noch nicht angemessen, wird kurz noch einmal deutlicher "zugezwickt"; also demonstriert, dass man es wirklich ernst meint.
  • Nur dann, wenn diese gesamte Abfolge eingehalten wurde, und der Betroffene immer noch nicht angemessen reagiert hat, wird nun die "Alpha-Rolle" angewendet.

Du siehst also: Beide Hunde befolgen dabei ein striktes Ritual. Und SIE ERWARTEN BEIDE, dass es GENAU SO abläuft:

Warnung - Steigerung - Steigerung - Steigerung - Steigerung - Letzte Warnung - Allerletzte Warnung - Aller-Allerletzte Warnung - Alpha-Rolle

Und das stets mit sehr sauberer und klarer Körpersprache verbunden, denn eigentlich will der "Alpha-Werfer" den Alpha-Wurf gern vermeiden. Schließlich kennt er sein Risiko sehr genau: Verkackt er den Alpha-Wurf, hat ER die Arschkarte; nicht derjenige, den er da bedroht.

Alpha-Wurf
Auch auf diesem Bild ist es schön zu sehen: Keine aggressive Gewalt. Stattdessen rituelles Verhalten beider Tiere: Der Unterworfene fügt sich in seine Rolle und liegt still. Der Dominante deutet lediglich an: "Ich könnte, wenn ich wollte. Du weißt das. Ich weiß das. Und jetzt weißt du auch, dass ich weiß, dass du es weißt."

Wie sieht es aus der Sicht des Betroffenen aus?

Der potenzielle Alpha-Werfer plustert sich immer mehr auf und sendet ein körpersprachliches Signal nach dem anderen. Der potenziell zu unterwerfende Hund kann diese bemerken oder nicht.

Er kann sie auch eine ganze Zeit lang ignorieren. Denn er weiß ganz genau, dass noch viel Zeit bis zum wirklich ernsten Punkt ist. Schließlich eskaliert es Schritt für Schritt.

Dabei kann er diese Eskalation JEDERZEIT abbrechen und (zu seinem Nachteil) beenden: Er muss nur Beschwichtigungssignale an den potenziellen Alpha-Werfer senden ... oder sich (langsam) aus der Gefahrenzone entfernen.

Welche Beschwichtigungssignale als "ausreichend" anerkannt werden, hängt von der Art des Vorfalls und der bisherigen Dreistigkeit des zu unterwerfenden Hundes ab:

Zumeist reicht es jedoch, den Blick zu senken, das Maul leicht zu öffnen und die Ohren deutlich zurückzunehmen; um die Eskalation schlagartig(!) zu beenden. Auch das "Wegschleichen", also das Entfernen vom potenziellen "Alpha-Werfer" ist ein ausreichendes Beschwichtigungssignal und bedeutet, dass der Alpha-Wurf nicht mehr sinnvoll ist, weil der Betroffene sich freiwillig unterworfen hat.

Du kannst es nur verkacken! Sendet dein Hund Beschwichtigungssignale an dich, MUSST DU ZWINGEND deine Absicht des Alpha-Wurfs beiseite legen!

Ignorierst du die Beschwichtigungssignale deines Hundes (beispielsweise weil du sie gar nicht bemerkst), wird dein Hund in dir nur noch einen geisteskranken Tyrannen erkennen.

Anstatt also den gewünschten Respekt von ihm zu bekommen, bekommst du nur NOCH WENIGER RESPEKT von ihm. Denn geisteskranke Tyrannen respektiert man höchstens aus Angst; aber nicht aus verdientem Respekt.

Was bewirkt der "Alpha-Wurf"?

Der Alpha-Wurf dient nicht dem Zweck, den Hund "umzuschubsen", oder so; sondern er hat eine stark rituelle Bedeutung:

Der unterworfene Hund zeigt dem anderen seinen Bauch, also seine empfindlichste Stelle. Würde er hier gebissen werden, könnte das schnell tödlich enden; ohne dass er eine Chance hätte, auch den anderen töten zu können. Es ist also eine "rituelle Unterwerfung" des betroffenen Hundes.

Doch diese Unterwerfung erfolgt nur anfangs gewaltsam; nämlich beim "Umschubsen". Direkt danach geht die Initiative auf den "Umgeschubsten" über: Er muss zeigen, dass er bereit ist, diese Aufforderung zur vollkommenen Unterwerfung anzuerkennen.

Und das macht er, indem er ohne Widerstand auf der Seite liegen bleibt und sich entspannt: Er legt den Kopf und Schwanz (meist auch die Pfoten) auf die Erde, atmet tief und ruhig und bewegt sich nicht mehr, bis der andere weggeht.

Tut er das nicht, zappelt er also, oder versucht gar, sich zu wehren, zeigt er damit, dass er bereit ist, die letzte Konsequenz zu tragen: Er ist bereit, es auf eine bösartige Beißerei ankommen zu lassen, bei der er auch (eigene) Verletzungen in Kauf nehmen wird. Dann ist die ZWINGENDE KONSEQUENZ, dass man es "bissig austragen" muss, wenn man jetzt noch eine Chance haben will.

Der rechte Wolf liegt unterwürfig auf der Erde. Der linke Wolf hat ihn dazu mit dem "Alpha-Wurf" gezwungen. Man kann sehr schön sehen: Der dominante Wolf droht deutlich sichtbar Schläge an, sollte sich der unterworfene Wolf jetzt wehren. Doch der zeigt beschwichtigend und deeskalierend die Zunge; zeigt also, dass er sich bereitwillig unterwirft. Da ist KEINERLEI KÖRPERLICHE GEWALT zu sehen, nicht wahr?! Alles spielt sich mit dem Ausdruck beider Wölfe ab.

Warum können Menschen das nicht so gut machen?

Es gibt viele Gründe, warum man den Alpha-Wurf nicht zur Heilung von Problemen, aber stattdessen sehr schnell sogar noch zur Verschärfung von Problemen machen kann.

Das größte Problem daran ist aber: Es ist das aller-mega-hyper-giga-letzte, wirklich das aller-aller-allerletzte Mittel vor einem ernsthaften Kampf. Du kannst in jeder anderen Situation vor einem Kampf mit Zähnen und Klauen mit deinem Hund ausweichen, ohne Glaubwürdigkeit zu verlieren. Du "vertagst" den Streit dann eben einfach. Das darfst du als Anführer (oder als jemand, der einen Anspruch auf die Anführerschaft erhebt) durchaus machen.

Doch hast du erst einmal die Alpha-Rolle begonnen und verweigert der Hund dir dann immer noch die Gefolgschaft, MUSST du ernsthaft kämpfen ... oder du wirst in seinen Augen endgültig zum unglaubwürdigen Hampelmann.

Doch zurück zum Thema: Um es jetzt nicht zu lang zu machen, schauen wir uns mal nur zwei der wichtigsten Gründe, die deine Probleme eher vergrößern als lösen an:

Wirst du deinen Hund wirklich ernsthaft beißen können? Diese Frage solltest du dir vorher stellen, denn wenn er auch den Alpha-Wurf verweigert, bleibt dir zur Durchsetzung deiner Glaubwürdigkeit nur noch, deinen Hund kräftig - und wirklich SEHR KRÄFTIG! - zu beißen. In jedem anderen Fall verlierst du noch mehr von deiner sowieso schon angekratzten Glaubwürdigkeit bei ihm.

Fehler: Falscher Zeitpunkt

Der Zeitpunkt des Alpha-Wurfs ist absolut entscheidend für seinen Erfolg: » Ist es wirklich absolut klar, dass es JETZT "darauf hinausläuft"?« Haben also wirklich alle anderen Mittel versagt? Und wissen das beide - also nicht nur du, sondern auch dein frecher Hund - wirklich sicher?

Hunde benutzen diesen Alpha-Wurf nur, wenn alle anderen Mittel der Kommunikation versagen. Der freche Hund WEISS ALSO SEHR GENAU, was da auf ihn zukommt, wenn es losgeht. Er weiß ja, dass er die Regeln übertritt. Sonst würde er nicht dauerhaft frech dagegen rebellieren, sondern sich unterordnen, wenn ihm die entsprechenden Hinweise (» Alter! Du überschreitest eine Grenze! Lass das sofort sein!«) gegeben werden.

Menschen GLAUBEN zwar auch, dieser Alpha-Wurf sei IHR letztes Mittel, weil die gesamte andere Kommunikation versagt. Doch können sie wirklich, wirklich, wirklich sicher sein, dass der Hund "ihre Kommunikation mit ihm" verstanden hat? Oder könnte der Hund einfach nur weiterhin frech sein, weil er nicht glaubhaft genug versichert bekommen hat, dass er gerade Grenzen überschreitet?

Beispiel Überrascht nun der Mensch den Hund mit dieser extremen Methode, weil er es eben doch nicht geschafft hat, wirklich glaubhaft zu vermitteln, dass er es ernst meint, ist das so, als würdest du morgens ahnungslos zur Arbeit gehen und vielleicht ein bisschen schlechtes Gewissen haben, weil du ein paar Minuten zu spät kommst. Aber dein Chef würde dir hinterrücks mit einer 2-Meter-Holzlatte auf den Rücken schlagen, um dich ein für allemal zu disziplinieren. Das käme nicht nur völlig überraschend; du würdest es auch als völlig und absolut überzogen betrachten und zukünftig bockiger auf deinen "cholerischen Terror-Chef" reagieren, nicht wahr?!

Es muss beiden VORHER klar sein, dass jetzt der Alpha-Wurf kommt Machst du den Alpha-Wurf für deinen Hund "überraschend", versteht er es nicht als Alpha-Wurf, also als Aufforderung zur Unterwerfung, sondern als Kriegserklärung an ihn. ... und das heißt für ihn: » Wehre dich! Beiße zurück! Schlage schnell und hart zu, bevor er dich ernsthaft verletzt!«

Fehler: Ritual nicht eingehalten

Auch die Methode selbst entscheidet über Erfolg und Misserfolg: » Auf das Ritual kommt es an!« Der Alpha-Wurf ist mehr Ritual als "körperliche Züchtigung". Beide wissen genau wie es abläuft. Beide halten sich genau an den Ablauf.

Hunde machen diesen Alpha-Wurf nicht, weil sie vorher heimlich "Alpha-Wurf-Kurse" besucht haben und den Griff so "überraschend benutzen" können. Er liegt ihnen in der Natur. Es ist ein Mittel ihrer Kommunikation. BEIDE HUNDE kennen den Ablauf dieses Alpha-Wurfes. Und beide befolgen dabei ein strenges Ritual, bei dem jede Bewegung strikt vorgeschrieben ist.

Menschen können dieses Ritual schon aus körperlichen Gründen nur sehr bedingt "nachstellen". Das beginnt mit dem Anrempeln; und das endet nicht mit dem Über-dem-Anderen-stehenbleiben. Es ist also nur eine "billige und schlechte Kopie" dieses Rituals. Und das wiederum verunsichert den frechen Hund: » Was soll das werden? Ist das jetzt ein Alpha-Wurf? Oder will er mich töten? Will er mich vielleicht nur verletzen? Was ist sein/ihr Plan? Sollte ich mich wehren?«

Beispiel Im südamerikanischen Urwald gibt es Stämme, die sich Begrüßung eine "Ohrfeige" (Maulschelle, Klaps auf die Wange) geben. Nicht derbe. Und auch nicht böse. Sondern ein ganz sanfter Klaps auf die Wange, mit dem man die Stärke des Anderen anerkennt. Für uns ist das "Aggressions-Verhalten". Es gehört sich nicht. Es ist falsch. So begrüßt man sich nicht. Und jeder, der uns so begrüßen wollte, würde erst mal Widerstand von uns ernten: Wir zucken zusammen. Wir erschrecken uns. Wir wehren uns vielleicht sogar gegen den überraschenden Angriff.

Ein "falsches Ritual" - und sei es schon bei der freundlichen Begrüßung - bedeutet also auch für uns Menschen unter Umständen "Missverständnis und falsche Gegenreaktion"; was sich wiederum schnell zu noch mehr Missverständnissen und Aggressionen hochschaukeln kann...

Beide müssen es FREIWILLIG machen! Der Alpha-Wurf ist nur in den ersten Sekundenbruchteilen "körperlich gewaltsam". Der freche Hund wird kräftig angerempelt ... sofern er sich nicht schon freiwillig hinlegt. Doch direkt danach ist KEINE GEWALT mehr im Spiel: Der unterworfene Hund bleibt freiwillig am Boden liegen. Macht er das nicht, musst du ihn gar dabei festhalten, ist der Alpha-Wurf schief gegangen ... und dein Problem-Berg deutlich höher geworden.

Reine Glückssache? Dann lass die Finger davon!

An den Beispielen ist leicht zu erkennen: Wenn du dich nicht schon sehr, sehr intensiv mit der Psychologie der Hunde beschäftigt hast und praktisch alles darüber weißt, was es zu wissen gibt, dann ist der "Alpha-Wurf" etwas, das du aus deiner Liste der Erziehungs-Methoden streichen solltest.

Wendest du ihn auch nur ein einziges Mal zum falschen Zeitpunkt oder mit der falschen Ritualisierung an (und von den unzähligen anderen Details, die man ebenfalls falsch machen kann, haben wir noch gar nicht gesprochen), wirst du deinen Hund nur noch mehr verunsichern oder sogar lange anhaltende Abneigung gegen dich erzeugen.

Denn genauso, wie er "schnell Probleme lösen" helfen kann, wenn er richtig gemacht wird; kann er auch "schnell Probleme erzeugen oder verstärken", wenn er falsch gemacht wird.

Und du willst sicherlich - genauso wenig wie wir - die Erziehung deines Hundes zur reinen Glückssache machen, bei der am Ende vielleicht ein braver, vielleicht aber auch ein richtig garstiger Hund, der nichts und niemanden mehr respektiert, herauskommt, nicht wahr?!

Nächster Schritt: Ernsthafte Beißerei bis aufs Blut! Versagt der Alpha-Wurf, ist der nächste Schritt ZWINGEND eine ernsthafte Beißerei bis hin zu schweren Biss-Verletzungen BEIDER Kontrahenten.

Die einzige Alternative, um dann eine ernsthafte Beißerei zu vermeiden: Du unterwirfst dich deinem Hund, gibst deine Anführerschaft endgültig auf und überlässt sie zukünftig ihm.

Ein verdammt hohes Risiko, nicht wahr?! Deshalb MUSS dieser Alpha-Wurf perfekt gelingen. Besteht auch nur die geringste Wahrscheinlichkeit, dass er nicht klappt (und das wird in 99% aller Fälle so sein), dann lasse die Finger davon. "Kein Alpha-Wurf" bedeutet nämlich auch: » Wir haben das noch nicht abschließend verhandelt, mein Freund! Ich werde mir etwas überlegen.«

"Ich habe wirklich ALLES probiert. Mein Hund hört einfach nicht auf mich. Es ist mein letztes Mittel."

Wenn du wirklich denkst, der Alpha-Wurf könne dich jetzt retten, dann bist du dabei, den größten Fehler zu machen, den ein Mensch in Bezug auf seinen Hund machen kann: Du schiebst die Schuld ab und willst andere bezahlen lassen.

Statt über den Alpha-Wurf nachzudenken, solltest du jetzt die Kraft und Zeit investieren und dich selbst prüfen:

Habe ich WIRKLICH richtig 
mit meinem Hund kommuniziert? 
Oder könnte er mich vielleicht doch
irgendwo missverstanden haben?

Tatsächlich wirst du (nahezu ausnahmslos) feststellen, dass du schon im Vorfeld viele, viele kleine und große Fehler in der Kommunikation gemacht hast. ( Tipp: Meistens hat es was mit "Konsequenz" zu tun. ;)) Kümmere dich um diese Fehler; und du wirst schnell feststellen, dass du den Alpha-Wurf nicht brauchst...

Generelle Faustregel Als Mensch bist du überlegen, weil du nachdenken kannst, was du falsch gemacht haben könntest. Nutze diese Kraft, die dir die Natur gegeben hat!

Dein Hund folgt nur seinen Instinkten Dein Hund denkt nicht darüber nach, welchen Unfug er gerade treiben möchte. Wenn dein Hund sich also nicht so verhält, wie du es erwartest, dann hast du seine Instinkte nicht richtig angesprochen.

"Na toll! Mein Hund tanzt mir JETZT auf der Nase herum, und ich soll tage-, wochen-, vielleicht sogar monatelang meine alten Fehler ausbügeln?"

Ernsthaft: Was erwartest du? Einen Reset-Schalter für die Erziehungs-Fehler? Bei einem Lebewesen? Gibt's den bei dir?

Im Ernst: Es ist in vielfacher Hinsicht besser für dich und den Hund, dass es diesen Reset-Schalter nicht gibt; dass ein Alpha-Wurf eben nicht "den Hund auf Werkseinstellungen zurücksetzt".

Zum Einen hast du die Fehler ja sicherlich nicht absichtlich gemacht, oder?! Die Umstellung der Erziehung deines Hundes ist also eine gute Übung dafür, dass du all die kleinen und großen Fehler, die du nun bereust, weil der Hund nicht das ist, was du dir gewünscht hast, in Zukunft nicht mehr machen willst und wirst.

Und zum Anderen funktioniert Erziehung wie eine Diät, nachdem man sich "dick und rund gefressen" hat: Da gibt es auch keine Pille, die du einfach nur schlucken musst, um morgen früh schlank aufzuwachen. Stattdessen wirst du dich wochen- oder sogar monatelang mit "weniger und gesünder Essen" herumschlagen müssen, wenn du Erfolg haben willst.

Ultima Ratio: Es muss sein? Hunde-Trainer engagieren!

Solltest du auch beim intensivsten Nachdenken nicht herausfinden, was du falsch gemacht haben könntest; und solltest du immer und immer wieder zu dem Schluss gelangen, dass nur noch der Alpha-Wurf dir helfen kann ...

... dann ist endgültig der Zeitpunkt gekommen, einen erfahrenen Hunde-Trainer anzurufen.

Kläre mit ihm, in welchen Problemen du steckst. Zeige ihm vor Ort, wie kacken-dreist sich dein Hund verhält, und dass du wirklich ernsthaft alles andere bereits versucht hast.

Doch mache diesen Alpha-Wurf NICHT ALLEIN,
sondern lasse dir dabei helfen!
Deinem Hund zuliebe...